Controlling-Inventur

Die Controlling-Tyrannei

Die Rolle von Indikatoren und Zielen in der Organisationsentwicklung
Dies ist Bild, dass für den Inhalt des Artikels "Einfach machen – ein kindlicher Ratschlag?" von Mark Poppenborg steht.
Mark Poppenborg
Einfach machen – ein kindlicher Ratschlag?
Die geheime Superkraft von Unternehmenskultur
Lars Vollmer
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Familiäre Kultur
Lars Vollmer
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- [x] Mark Poppenborgs Blogbeitrag: Das Problem mit den Kick-Off Veranstaltungen
Mark Poppenborg
Das Problem mit den Kick-Off Veranstaltungen
Change und Intervention - Hand nimmt ein Baustein weg und verändert dadurch das Bild.
Lars Vollmer
So solltest Du Change betreiben

Hast Du eine Smartwatch? So ‘ne richtig Gute, mit Schlafphasenanalyse, Blutsauerstoffsättigung, Herzfrequenzvariabilität, Schrittzähler usw.? Clever die Dinger.

Sie sind ja wie so eine Art Controlling für den Körper. Und wie so manches Controlling kann auch die Smartwatch vom nützlichen Unterstützer zum lästigen Tyrann werden.

Das passiert immer dann, wenn Indikatoren zu Zielen verkommen: Hauptsache 10.000 Schritte!

Was Smartwatches und Controlling gemeinsam haben, welche zentrale Rolle sie in Change-Vorhaben einnehmen und wie Du dabei konkret vorgehen kannst … ich hab das mal zu Papier gebracht.

"Wenn ein Indikator zum Ziel verkommt, manipuliert er Verhalten, anstatt Entscheidungen zu unterstützen. Indikatoren werden beobachtet, Ziele werden verfolgt.
Mark Poppenborg
"

 

Mikromanagement-Booster

Mikromanagement ist in den seltensten Fällen ein Persönlichkeitsmakel, etwa durch Kontroll- oder Machtgelüste motiviert. Meist ist Mikromanagement die einzige Option, um ein Organisationsversagen zu kompensieren.

Wie bitte?

Ja genau. Das Management scheitert nicht an seiner eigenen Kontrollsüchtigkeit. Dem Management fehlt häufig vielmehr das Instrumentarium, um das eigene Unternehmen zu verstehen. Und so schafft es unbewusst Verhältnisse, die es selbst wieder kompensieren muss.

Lass mich das erklären.

In jedem Unternehmen müssen täglich unzählige Entscheidungen getroffen werden – ganz „unten“ auf der Teamebene und ganz „oben“ auf der Bereichsebene. Jedes Management wünscht sich, dass diese Entscheidungen im Sinne des Unternehmens getroffen werden.

Dazu müsste der Entscheider – egal auf welcher Ebene – eigentlich die Hubschrauberperspektive einnehmen können und sich fragen:

„Was ist bei dieser Entscheidung jetzt gerade die gesamtunternehmerisch sinnvollste Option?“

Stell’ Dir mal vor, jeder Mitarbeiter im Unternehmen würde seine Entscheidungen an der Antwort auf diese Frage ausrichten. Fast schon eine utopische Vorstellung, nicht wahr?

Denn häufig fällt es den Mitarbeitern schwer, diese gesamtunternehmerische Perspektive einzunehmen.

Nein, präziser: Sie nehmen diese Perspektive durchaus ein und stellen sich die Frage nach den gesamtunternehmerischen Interessen. Doch ihnen sitzen Ziele, Kennzahlen und andere Erwartungen im Nacken, die ihre Aufmerksamkeit davon abziehen.

Beispiel:
In einem Praxisfall wäre es sinnvoll, eine Extraschleife zu drehen und ein neues Produkt-Feature noch zweimal zu testen, bevor es an einen Kunden ausgeliefert wird. Denn dieser Kunde wurde schon zweimal enttäuscht. Das Team wird aber an der Anzahl der Features gemessen, die es entwickelt. So fällt es schwer, das unternehmerisch Richtige zu tun. Das Ziel hat Vorrang, nicht der Kunde.

Noch ein Beispiel:
Ein Kunde eignet sich hervorragend als Referenzkunde und die üblichen Renditeziele sollten sinnvollerweise zugunsten des Projekterfolgs zurückgestellt werden. Das bisschen Verlust mit dem einen Kunden würde durch den Imagegewinn und die Weiterempfehlungswirkung locker wieder wettgemacht werden. Allerdings werden die Mitarbeiter am Projekt-ROI gemessen. Unternehmerisch zu handeln, wird dadurch behindert.

Ein letztes Beispiel:
Die Mitarbeiter sollten im Interesse des Unternehmens an einer innovativen KI-Lösung arbeiten, die zur Automatisierung vieler interner Prozesse beitragen würde. Doch ihre Leistung wird anhand der fakturierten Stunden beurteilt. Auf die Gemeinkostenstelle zu buchen, ist denkbar unattraktiv.

Und was hat das mit Mikromanagement zu tun?

Ganz einfach, am Ende bleibt oft nur ein Anwalt der gesamtunternehmerischen Interessen übrig: der Geschäftsführer. Nur er kann frei von Anreizen den langfristigen Erfolg als Referenz für seine Entscheidungen nutzen. Alle anderen sind Anwälte von lokalen Partikularinteressen, die durch Kennzahlen und Ziele geschürt werden.

Hier spielt das Controlling eine zentrale Rolle. Ein wirksames Controlling fördert gesamtunternehmerisch ausbalancierte Entscheidungsfähigkeit, anstatt Mitarbeiter auf Silointeressen abzurichten.

Lass mich Dir zeigen, wie wir das bei unseren Mandanten erreichen.

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Alles startet mit vier Begriffen. 

Begriff 1: Indikator

Ein Indikator ist eine Referenz, die beobachtet wird, um die eigene Entscheidungsqualität zu verbessern. Indikatoren geben Orientierung und nähren das Gefühl. So wie eine Instrumenten-Tafel im Cockpit mir Daten zur Verfügung stellt, die ich beobachten kann und interpretieren MUSS.

Begriff 2: Ziele

Ein Ziel ist ein Zustand in der Zukunft, den ich erreichen will. Wenn ich ein Ziel nicht erreiche, enttäusche ich Erwartungen – meine eigenen oder die anderer.

Was Dir sofort auffallen dürfte: Die Anzahl der entwickelten Produkt-Features pro Zeiteinheit; der Projekt-ROI; die fakturierten Stunden (siehe Beispiele oben) – dies alles können sowohl Indikatoren als auch Ziele sein. Was sie sind, lässt sich nämlich nie grundsätzlich, sondern immer nur konkret feststellen. Und zwar, nachdem ihre Nutzung beobachtet wurde.

Der Unterschied: Ein Indikator wird beobachtet, während ein Ziel angestrebt wird. 

Begriff 3: Objektiv messbar

Objektive Messbarkeit bedeutet Beobachterunabhängigkeit. Es ist egal, wer den Indikator oder das Ziel „abliest“, das Ergebnis ist immer dasselbe. Wenn der Luftdruck 1024 mbar beträgt, tut er das auch, wenn jemand anderes auf das Barometer schaut. Die Fehlerrate in der Produktion ist eindeutig. Mehr oder weniger als zwei Millimeter Abweichung? Klarer Fall.

Begriff 4: Subjektiv beurteilbar

Ist etwas „nur“ subjektiv beurteilbar, macht es einen Unterschied, wer beobachtet. Ob man Marktführer ist, lässt sich nicht objektiv messen, nur subjektiv beurteilen. Natürlich kann eine solche subjektive Beurteilung manchmal einhellig ausfallen (man scheint sich einig zu sein, dass Amazon der Marktführer auf dem Onlinehändler-Markt ist), aber in vielen Alltagssituationen fallen die Urteile unterschiedlich aus.

Wenn Du nun alle vier Begriffe zusammenbringst – Du hast es Dir schon denken können – ergibt sich eine 4-Felder-Matrix.

Indikatoren und Ziele können jeweils objektiv messbar als auch subjektiv beurteilbar sein. Deine Controlling-Inventur besteht darin, Dir ein umfassendes Bild des Bereichs zu machen, den Du verbessern willst, und alle Ziele und Indikatoren den Feldern zuzuordnen.

Beispiele:

Eine Führungskraft schaut sich wöchentlich fünf Kennzahlen an, um sich einen qualitativen Eindruck der Innovationsgeschwindigkeit zu machen. Das scheinen objektiv messbare Indikatoren zu sein.

Ein Produktmanager spricht regelmäßig mit bestimmten Kunden, um sich einen Eindruck davon zu machen, ob das Unternehmen bereits als das innovativste Unternehmen im Markt wahrgenommen wird. Das scheint ein subjektiv beurteilbares Ziel zu sein.

Ein Entwicklungsteam hat jeden Montagmorgen einen Jour fixe, in dem die Teammitglieder von Erfolgen und Niederlagen in der letzten Woche berichten. Das scheint ein subjektiv beurteilbarer Indikator zu sein.

Der Marketing-Leiter berichtet jede Woche die Abweichung des NPS-Scores vom Ist zum Plan an die Geschäftsführung. Das scheint ein objektiv messbares Ziel zu sein.

 

Wider der Controlling-Tyrannei

Es gibt keine falschen Felder in der Matrix. Jedes Feld hat seine Berechtigung. Und doch neigen die meisten Unternehmen zu einer Dysbalance und es wimmelt nur so vor objektiv messbaren Zielen.

Das tun sie selten bewusst. Stattdessen entwickeln Indikatoren häufig ein Eigenleben. Das kann sich etwa so abspielen:

Mitarbeiter 1: „Unsere Kundenberater verbringen aktuell 42 % ihrer Zeit mit Kunden.“

Chef: „Interessant, das sollten wir im Auge behalten. Das ist sicher ein wichtiges Indiz. Wie viel Kommunikation läuft denn eigentlich per Mail, im Vergleich zu Videokonferenzen und Präsenzterminen?“

Mitarbeiter 1: „Das können wir relativ leicht herausfinden, zumindest um uns einen Eindruck zu verschaffen. Hilft uns die Kennzahl denn?“

Chef: „Ich denke schon, aktuell fehlt uns so ein bisschen das Gefühl, wo wir vielleicht Potenzial haben. Ich werde auch mal mit 5-6 Kundenberatern sprechen, um zu hören, wie sie den Kontakt zu den Kunden qualitativ einschätzen.“

[zwei Monate später]

Mitarbeiter 2: „Ich habe die Zahlen die letzten Wochen mal beobachtet. Peter und Jan verbringen deutlich mehr Zeit mit ihren Kunden. Beide etwa 65 %. Das sollten die anderen auch schaffen.“

[weitere zwei Monate später]

Chef: „So, nächster Tagesordnungspunkt, Kundenkontakt-Kennzahl. Wo liegen wir denn?“

Mitarbeiter 2: „Wir liegen jetzt durchschnittlich bei 55 %, deutlich besser. Aber Hans ist mit 32 % echt abgeschlagen.“

Mitarbeiter 1: „Hans hat aber auch die meiste Erfahrung und tut viel für die Weiterentwicklung der Nachwuchskollegen.“

Chef: „Ja, aber 65 % sollte er schon anstreben. Das sind ja immer noch keine 100 %, da bleibt ja noch Zeit über für andere Dinge.“

Hans ist zum schlechten Mitarbeiter geworden. Und das, weil ein nützlicher Indikator zu einem Ziel verkommen ist. Das geht natürlich nicht an Hans vorbei, sodass er allmählich sein Verhalten ändert. Seine Kundenkontakt-Kennzahl steigt nun langsam, aber die Weiterentwicklung des Nachwuchses bleibt auf der Strecke.

Die Tyrannei des Controllings hat zugeschlagen.

Die Steigerung dieser Entgleisung besteht darin, dass das Monitoring dieser Kennzahlen zentralisiert und von einer Controlling-Abteilung verwaltet wird.

Für das Management sollen die aufbereiteten Kennzahlen dann dazu dienen, das Unternehmen zu steuern. Wo früher noch produktive Reibung stattfand, weil subjektiv beurteilbare Indikatoren zum Dialog einluden, ist nun jegliche Bodenhaftung verloren gegangen.

Das Ergebnis:
Dashboard-Management. Elfenbeinturm-Vorwürfe. Mikromanagement.

Eine Lösung:
Über eine Controlling-Inventur revitalisierst Du den Dialog über den Nutzen und Schaden von Indikatoren und Kennzahlen und schaffst durch die Begriffe eine Besprechbarkeit, die längst verloren gegangen ist.

Wir haben damit schon so manches schädliches zentrales Ziel abschaffen und die Mitarbeiter vor Ort mit nützlichen Indikatoren „ausstatten“ können.

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Ich gebe zu, ich bin ein Freund von Kennzahlen.
Ich gebe aber auch zu, ich glaube nicht an rein kennzahlengetriebene Führung.
Ich bin insofern ganz bei der Aussage des Artikels: Kennzahlen im Blick haben im besten Falle mehrere Kennzahlen, die die Gesamtsituation für die konkrete Führungsaufgabe aus verschiedenen Perspektiven beschreibt, ist aber stets nur die Basis für das Führungshandeln. Die Interpretation des Kennzahlengebildes im Sinne der strategischen und/oder operativen Ausrichtung ist aber stets ein MUSS!
Schade ist es, wenn Führungskräfte das nicht sehen, oder nicht sehen wollen,

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