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New Work Farce verhindern

Hilfe, ich bin der New Work Beauftragte. Was nun?

3 konkrete Ideen um mit einem unlösbaren Problem umzugehen
Carlos Frischmuth, Managing Director bei dem Personaldienstleister Hays, wirft einen kritischen Blick auf die New Work Diskussion.
Mark Poppenborg
Gemeinsamkeiten und Widersprüche zum Thema New Work
Stephan Heiler, Geschäftsführer der Heiler Glas GmbH
Philipp Simanek
New Work im klassischen Mittelstand
Nahaufnahme einer Venusfliegenfalle
Elisabeth Neuhaus
New Work, New Normal, New Firlefanz
Gadgets der Generation Y
Elisabeth Neuhaus
Wir wollen keinen nutzlosen Bullshit machen
New York Skyline
Lars Vollmer
Was ich in New York über New Work gelernt habe

Du bist kürzlich beauftragt worden, Dich bei Dir im Unternehmen um New Work zu kümmern. Damit hast Du ein unlösbares Problem als Auftrag akzeptiert bzw. akzeptieren müssen. Es gibt Berater, die sich das zum Geschäftsmodell gemacht haben. Kein Grund also, gleich den Kopf in den Sand zu stecken.

Du arbeitest in HR. Vielleicht auch in der Organisationsentwicklung, wenn Dein Arbeitgeber groß genug ist, um sich eine zusätzliche Abteilung zu gönnen. Oder im Business Development. Jedenfalls nicht in der Linie.

Der Auftrag lautet konkret: »Prüfen Sie was New Work für uns bedeutet und erarbeiten Sie eine Management Summary mit begründeter Handlungsempfehlung, kurz MSmbH.«

Und nu?

Der Anfang

Was dann typischerweise passiert, will ich nur in aller Kürze darstellen, denn erstens habe ich das schon an vielen anderen Stellen getan und zweitens kennst Du es wohlmöglich aus der Vergangenheit (z.B. von Lean Management, One [trage hier Deinen Unternehmensnamen ein], Agile Transition etc.). Du kannst auch gerne zu meinen konkreten Ideen springen, wenn Du die Einführung überspringen möchtest. Klicke dazu hier.

Typisch aber nicht zwingend ist folgende Entwicklung: Nachdem Du Dich ein bisschen aufgeschlaut (vielleicht ja auch bei uns, z.B. hier), 1-2 Veranstaltungen besucht und den einen oder anderen Experten konsultiert hast, hast Du ein Gefühl dafür bekommen, was sinnvoll wäre zu tun.

Deine Empfehlung ans Management wird ernstgenommen, aber genau an den Stellen aufgeweicht, wo eine Veränderung wirklich nötig wäre.

Es werden dann alle Mitarbeiter für ein paar Wochen von der Arbeit abgehalten:

Phase 1

Zunächst verkauft man sie für dumm, indem man ihnen eine Geschichte vorgaukelt, in der die Notwendigkeit für eine Veränderung auf dramatische Weise dargestellt wird. Man nennt das auch „Sense of Urgency herstellen“: »In zwei Jahren sind wir pleite, wenn wir nicht…«

Phase 2

Nun wird allen Mitarbeitern erklärt, was sie eigentlich tun müssten, wozu sie aber bisher zu blöd waren. Das nennt man „Aufgleisen“, „Abholen“ oder „Entwickeln“.

Phase 3

Damit die Augenhöhe nicht zu kurz kommt, werden nun alle Mitarbeiter, oder zumindest ein repräsentativer Teil, zu einem Workshop eingeladen, in dem unbedingt auch das Top Management anwesend sein muss. Das Skript für dieses Theater lautet: »Ihr seid das Unternehmen. Lasst uns gemeinsam die Zukunft entwickeln. Wir wollen jede Meinung hören. Jeder zählt.« 

Das macht zwar Spaß, frustriert aber etwas, weil schon absehbar ist, dass ja nicht wirklich gemeinsam das Unternehmen entwickelt wird.

Das Ende vom Lied ist nicht selten, dass die durchaus gut gemeinte Initiative zur Farce verkommt und von allen Mitarbeitern belächelt wird, weil an den entscheidenden Stellen mal wieder nichts passiert.

Um dieses Schicksal zu vermeiden, gibt es kein Rezept. Und dennoch möchte ich Dir 3 Ideen vorstellen, die Dir möglicherweise beim Denken helfen können.

3 Ideen um die New Work Farce zu verhindern

Idee 1: Breche gleich zu Beginn herrschende Muster

Deine Organisation ist wahrscheinlich schon darin geübt, Organisationsentwicklungsprogramme auszuhalten, ohne dass sie allzu großen Schaden anrichten. Und so schnappen von der ersten Minute an gewisse Verarbeitungsmuster zu.

Das fängt schon bei dem Auftrag Deiner Geschäftsführung an. Anstatt sich selbst darum zu kümmern, delegiert sie ihn an Dich. Damit ist festgestellt, dass die Zeit der Geschäftsführung für wichtigere Dinge vorbehalten ist.

Dein Projekt ist ab diesem Augenblick kommunikativ schon markiert. Das ist aus Organisationsperspektive clever, wenn ein Interesse an störungsfreier Fortsetzung der Vergangenheit besteht. Denn jetzt ist schon mal ganz viel klar.

Man kann sich als Mitarbeiter nun relativ gefahrlos unkooperativ zeigen, solange man ein hygienisches Maß an Mithilfe andeutet, z.B. indem man ein paar Fragebögen ausfüllt oder ab und zu zu einem Workshop erscheint.

Im Zweifel kann man sich immer auf den dringenden Alltag berufen und wird sich dabei keiner ernsthaften Kritik erwehren müssen. Im Gegenteil, damit genießt man eher einen Heldenstatus. Wenn das Telefon beim Workshop klingelt, dann ist man natürlich sehr wichtig – im Gegensatz zu diesem süßen New Work Thema. Oder wenn man mit einem Kollegen mal gerade konspirativ auf den Flur geht – das demonstriert sozialen Rang.

Arbeite also zunächst heraus, mit welchen konkreten Mustern bei Euch in der Vergangenheit neue Projekte als belanglos markiert wurden.

Versuche anschließend die Muster herauszuarbeiten, die ernstgemeinten Projekten anhaften. Ein strategischer Kunde bei dem auf einmal alles ganz schnell gehen musste zum Beispiel. Wo sich der Chef plötzlich einmischt und Meetings verschoben werden, die sonst schon Institutionscharakter haben.

Stelle Deinem Chef diese Beobachtung vor und erarbeite mit ihm auf dieser Basis einen alternativen Antritt.

Wenn er es ernst meint, ist er Dir für den Hinweis vermutlich sehr dankbar und lässt sich gerne auf das Experiment ein. Denn in der Hektik des Alltages hat er diesen Zusammenhang vielleicht noch nicht reflektiert. Dein Chef ist ja auch „nur“ ein Rollenträger und kein Superheld.

Idee 2: Suche Verbündete und löse ein Wertschöpfungsproblem

Eine Organisation empfindet jede Veränderung zunächst als Bedrohung – für die Fortsetzung des Bewährten ist sie das ja auch.

Am leichtesten tut sich eine Neuerung mit ihrer eigenen Anschlussfähigkeit daher, wenn sie einen Beitrag zu dem leistet, was die Organisation im Kern überlebensfähig macht: die Wertschöpfung.

Wenn bewiesen werden kann, dass es mit einer anderen Organisationsweise oder bei Ignorierung nie hinterfragter Managementpraktiken zu einer wirtschaftlicheren Wertschöpfung kommen kann, dann gibt es Grund zur Hoffnung. Wenn auch noch nicht zum Jubel.

Dazu solltest Du auf Mitarbeiter zugehen, bei denen sich Kommunikationspfade häufen, obwohl sie keine Vorgesetzten sind. Informelle Autoritäten. Manchmal sind diese unbequem oder verbittert, haben ein dickes Fell oder halten sich mit ihren Äußerungen bedeckt. Schau genauer hin und Du weißt von wem ich spreche.

Sprich mit diesen Kollegen über Deine Absichten. Sie stecken voller Ideen und haben auch heute schon Wege gefunden, um verkrustete Strukturen clever zu umgehen.

Sie sind wahrscheinlich skeptisch – »Schon wieder so eine, die uns die Welt erklären will« – aber wenn sie erstmal merken, dass es Dir um die Sache geht, hast Du eine Chance. Wenn Du nicht der klassische Menschenfänger bist, dann such Dir zunächst vielleicht einen Kollegen „aus den eigenen Reihen“, der eher für seine gewinnende Art bekannt ist. Bekannt! Nicht verbrannt.

Was Du definitiv NICHT machen solltest: Dich in Deinem Elfenbeinturm einsperren und mit anderen Stabsmitarbeitern ein tolles Konzept entwickeln, das Du in einem offiziellen Termin den Mitarbeitern vorstellst, nachdem es vom Chef abgesegnet wurde. Denn dann ist Euch die kulturelle Immunabwehr sicher.

Idee 3: Ignoriere Change Management Modelle

Der Markt ist voller Rezepte für die erfolgreiche Agile Transition oder die erfolgreiche Einführung von New Work.

Es gibt Berater, Coaches, Begleiter und Enabler (die Begriffsvielfalt ist hoch, aber das grundsätzliche Beziehungsmuster natürlich sehr ähnlich) die Unternehmen sehr wirksam dabei unterstützen können, erfolgreicher zu werden.

Aber diese Externen sind nicht erfolgreich, weil sie einem Rezept folgen, sondern weil sie ein Talent haben. Sie sind in der Lage zu erspüren, welche Frage, welche Provokation, welcher Workshop oder welcher Werkzeugeinsatz (in der Fachsprache: Intervention) zu welchem Zeitpunkt wirkungsvoll sein könnte, um Euch einen Schritt weiter zu bringen.

Da sich gutes Gefühl nur mit einer starken Personenmarke glaubhaft verkaufen lässt und nicht jeder eine solche vorweisen kann, haben sich diese Talente meistens angewöhnt, ihren Erfolg einer Methode oder einem Modell zuzuschreiben.

Und so findest Du immer mehr Change Modelle auf dem Markt, die ohne ihren Urheber nahezu nutzlos sind.

So verlockend die Versuchung also sein mag, nutze diese Modelle lieber nicht.

Werkzeuge hingegen, kannst Du sehr wohl einsetzen. Den Unterschied zwischen einem Vorgehensmodell und einem Werkzeug erkennst Du daran, dass Vorgehensmodelle Dir sagen was Du tun sollst, während Du bei Werkzeugen keine Anweisungen finden wirst und sie Dir nur beim Verstehen und Denken helfen können. Mehr dazu findest Du hier.

Nur ein Anfang

Wenn Du diese 3 Ideen nutzt, hast Du noch lange keine Erfolgsgarantie. Sie streifen auch nur einige der vielen Themen, die wir auf unserem Blog zum Teil sehr tiefgehend behandeln. Und dennoch: Gerade zu Beginn Deiner New Work Reise solltest Du unbedingt vermeiden, dass Du in der alten Change Falle landest, die schon so viele Projekte erleiden mussten.

Viel Erfolg!

Eine gedankliche Vertiefung

Ich ahne, dass ich mich mit diesen Tipps (insb. dem dritten) unbeliebt, vielleicht sogar unglaubwürdig machen könnte. Doch ich halte es für viel zu riskant, einem Modell zu folgen, nur weil es unserem Bedürfnis nach Sicherheit und Vollständigkeit gerecht wird.

Oder noch einmal anders: Warum sollte sich ein komplexes, hochgradig unerwartbar verhaltendes Etwas, wie eine Organisation, ausgerechnet dann besonders gut verändern lassen, wenn der Versuch einem in unseren Ohren erwartbarem, widerspruchfreien und rundem Konzept folgt.

Ist der Workshop den alle unzufrieden verlassen vielleicht genauso wirksam oder wirksamer wie der mit bestem Feedback gesegnete?

Könnte die vollständig missverstandene und vor Empörung von einigen Mitarbeitern verlassene Auftaktveranstaltung eines Veränderungsprozesses möglicherweise mehr auf die Spur bringen, als wenn die Agenda makellos eingehalten wurde?

Ich glaube, nur unser Harmoniebedürfnis gepaart mit einer sozialisierten Eindeutigkeitserwartung ist dafür verantwortlich, dass wir vermuten etwas sei wirksam, wenn es wie erwartet verlaufen ist.

Ein mir bekannter Berater ist bei einem Projekt einmal nach dem zweiten Termin achtkantig aus dem Unternehmen geflogen und hat vermeintlich große Scherben hinterlassen. Seine Wirkung scheint jedoch heute noch konstruktiv nachzuwirken.

Das ist keine Aufforderung zum willenlosen Zerstörungsfeldzug, sondern eine Einladung, anders über Veränderung nachzudenken.

Vielleicht hilft hier auch eine Erinnerung an die persönliche Veränderung eines jeden Einzelnen. Zumindest bei mir starteten viele folgenschwere Veränderungsprozesse, Lebensabschnitte oder Charakterprägungen mit einem ungeplanten Erlebnis oder Ereignis, das mich am Anfang selten entzückt hat.

Und so wurde es auch in manchen Projekten, die ich begleiten durfte, erst dann so richtig relevant, wenn Geduldsfäden rissen, Streit ausbrach, sich Tabus lüfteten und Wutanfälle ihr Ventil suchten.

Was ich daraus gelernt habe: Wirksamkeit geht vor Gefälligkeit!

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