Ein Blick hinter die Kulissen der Handelsbanken
Vor zwei Jahren haben wir eine alte Bekannte besucht, die schwedische Handelsbanken. Wir verbrachten zwei Tage in Stockholm, lernten den damaligen CEO Anders Bouvin kennen und sprachen mit einem Filialteam.
Die Bank ist seit den 1970er-Jahren Vorreiterin, wenn es darum geht, das Prinzip der Kundenorientierung konsequent zu leben. Und zwar ohne die plumpen Floskeln und Appelle, die sonst immer zu hören sind. So ist das Kreditinstitut bekannt dafür, dass es seit jeher auf Budgets und Bonussysteme verzichtet. Der Erfolgsmaßstab ist nicht die (Höhe der) Erfüllung vorab definierter oder ausgehandelter Sollgrößen, sondern ausschließlich der relative Vergleich mit einer Peergroup von Banken in der Region im Hinblick auf Return on Equity, Cost Income Ratio und Kundenzufriedenheit.
Konsequenterweise gibt es auch keine klassischen Anreizsysteme für die Mitarbeitenden. Die Filialen mit ihrer maximalen dezentralen Verantwortung sind nach wie vor entscheidend. Der direkte persönliche Kontakt mit den Kunden steht unumstritten an erster Stelle. Beobachter in der Finanzwelt sind irritiert, weil man sich weiterhin den Mainstream-Mustern (Zentralisierung, Filialenbündelung, »Online first« etc.) verweigert.
Anders Bouvin sagte uns:
»Wenn du das Ziel hast, immer deine Mitbewerber zu schlagen, könnte es sinnvoll sein, ihnen nicht immer zu folgen. Denn wenn du immer das tust, was sie tun, bist du bestenfalls so gut wie sie.«
Ganz offensichtlich ist die konsequente Marktbearbeitung durch dezentral eigenständig agierende Filialen bei gleichzeitiger Priorisierung des persönlichen Kundenkontakts kein Ausdruck rückwärtsgewandter Sozialromantik. Denn seit über 40 Jahren hat die Bank den Return-on-Equity-Vergleich mit der Konkurrenz stets gewonnen.
In Stockholm hat man die Wichtigkeiten neu sortiert: Irrelevant sind Budgets, Bonus- und Reportingsysteme und Marketingkampagnen (es gibt nur eine rudimentäre Marketingabteilung). Für die Unternehmensumwelt ist man sehr anschlussfähig an solche Kunden, für die der persönliche Kontakt relevant ist, und für Mitarbeitende, die eigenverantwortlich arbeiten wollen und Konkurrenz im Verhältnis zum Markt und nicht zu den Kolleginnen und Kollegen begreifen.
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Goldene Regel: Wer mit dem Kunden spricht, kann entscheiden.
Es liegt an den Filialmanagern, welche Produkte den Kunden angeboten werden und wie mit ihnen zusammengearbeitet wird. Es gibt keinerlei Vorgaben von der Zentrale. Mats Ernborg, Leiter der Filiale in der besten Innenstadtlage Stockholms, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es die Filialen sind, auf die es bei Handelsbanken ankommt:
»Das hier ist sozusagen meine eigene Firma, mit der wir uns um den lokalen Markt kümmern. Es liegt alles an uns, was wir unseren Kunden anbieten und wie wir mit ihnen zusammenarbeiten. Von der Zentrale bekomme ich nicht gesagt, welche Produkte ich zu welchem Preis zu verkaufen habe. Es gibt keinerlei Vorgaben. Beispielsweise kann ich als Filialleiter bis zu einem Kreditvolumen von umgerechnet 27 Mio. EUR alleine entscheiden. Und wenn dieser Betrag überschritten wird, heißt das nicht, dass jemand aus der Zentrale über mich hinweg entscheiden kann, denn ich behalte die entscheidende Empfehlerfunktion.«
Es könne also durchaus sein, ergänzt Emborg schmunzelnd, dass seine Chefin, die alle 19 Filialen der Region Stockholm verantwortet, ab und an das Gefühl verspüre, eingreifen zu müssen. Aber letztlich sei sie sehr entspannt, weil sie nicht die lokalen Marktkenntnisse habe und genau wisse, dass er es sei, der das lokale Business verantworten müsse.
So kommt es praktisch nie vor, dass Kunden der Handelsbanken mit jemandem sprechen, der nicht entscheiden kann. Darum kann man auch auf die sonst übliche Aufdringlichkeit in der Kundenbetreuung verzichten –Direktansprachen und Promotions werden vermieden. Stattdessen geht es ausschließlich um die langfristige Kundenbeziehung und um den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Diese Zurückhaltung wird von den Kunden offensichtlich sehr geschätzt, wie die Kundenzufriedenheitsanalysen eines externen Dienstleisters ein ums andere Mal zeigen.
Selbstverständlich geht es auch um den Profit, Kundenorientierung ist schließlich kein Selbstzweck. Und gerade hier steht die Handelsbanken hervorragend da und gilt als eine der stärksten Banken weltweit. Vielleicht weil die Mitarbeitenden nicht daran gehindert werden, kompetent über das zu urteilen, was den Kunden den meisten Nutzen bringt. Bisher hat sich der Erfolg durch die starke Kundenorientierung gleichsam automatisch eingestellt. Da die Strukturen genau darauf ausgerichtet sind und immer wieder überprüft werden.
Andernorts startet man Kampagnen, in denen teils sehr übergriffig beteuert wird, wie sehr man den Kunden liebe oder ihn zukünftig lieben wolle – und meint damit lediglich einfallsloses Push-Marketing. In Stockholm spricht man nicht von Liebe, aber es fühlt sich – vielleicht genau deshalb – fast danach an.
Toller Beitrag mit so wert•vollem Inhalt. Ich kann das aus meiner Erfahrung zu 100% unterstützen, nur noch nicht so schön knackig auf den Punkt bringen.Vor allem Appelle „von oben nach unten“ – zudem meist ohne tatsächlich vorgelebtes Vorbild – verpuffen eigentlich immer. Und nicht nur da, meist „verschlimmbessern“ sie die Lage noch. Denn wenn es trotz der besten „Werte-Appell-Postern“ an allen Wänden nicht klappt, hören die Mitarbeiter oft direkt (oder auch sehr infantil indirekt) „ihr habt euch halt noch nicht genug angestrengt“. Um so mehr freue mich mich, nun bald m Sommersemster der Intrinsify-Akdamie teilnuznehmen, um das geballte Wissen als Organisationdesigner noch sinnvoller auf den Punkt bringen zu können. Denn die meisten Unternehmen folgen dieser „Systemdynamik“ häufig tatsächlich unbewusst, d.h. „gut gedacht, schlecht“ gemacht. Und so bin ich überzeugt, dass ich mit entsprechender Sichtbarmachung Unternehmen tatsächlich helfen kann, das Blatt der „alten Muster“ in eine neue, positive Richtung zu entwicklen.