Starke Führungskräfte ohne Training

Führungskräfteentwicklung auf den Kopf gestellt
Das Bild symbolisiert Training für Führungskräfte. Zu sehen sind verschiedene Hanteln zum Krafttraining, auf dem Boden liegend.
Führung im Sandwich
Mark Poppenborg
Führung im Sandwich
Bühne eines Theater.
Lars Vollmer
Wie aktiv ist die Hinterbühne eures Unternehmens?
Future Leadership zum Snacken für zwischendurch. Die drei nahrhaften Impulse der kompakten Podcast Episode: - Mitarbeiter-Fluktuation ist keine HR-Aufgabe; - Funktionale Sachlichkeit ermöglicht Fortschritt; - Kulturbeobachtung während eines Konzerts.
Philipp Simanek
Fluktuation, Funktionale Sachlichkeit
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Leichtigkeit in der Unternehmensführung
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„Welche Führungstrainings empfiehlst Du für meine Manager?“, fragte mich kürzlich ein Unternehmer. Er wusste, dass ich mal die Führungskräfteentwicklung einer bekannten Mediengruppe verantwortet hatte und hoffte auf ein paar Wegweiser im unübersichtlichen Weiterbildungs-Dschungel. Ich antwortete mit einer Gegenfrage: „Ist Dir schon mal aufgefallen, dass es Unternehmen gibt, die leistungsstarke Führungsmannschaften haben – ganz ohne Trainingsprogramm?“

Im weiteren Gespräch skizzierten wir für seine Firma einen Ansatz, der die klassische Führungskräfteentwicklung auf den Kopf stellt. Oder sollte ich sagen: vom Kopf auf die Füße stellt? In diesem Artikel fasse ich die wichtigsten Punkte zusammen.

Der klassische, individualistische Ansatz

Die klassische Führungskräfteentwicklung ist ein Teil der Personalentwicklung und soll die Führungskompetenzen heutiger und künftiger Manager mit Personalverantwortung fördern. Das inhaltliche Trainings-Repertoire ist dabei praktisch unerschöpflich. Eine paar Beispiele: „Empathische Kommunikation“, „Konfliktmanagement“, „Feedback“, „Motivieren, Kritisieren, Delegieren“, „Team-Performance“, „Selbst- und Zeitmanagement“, „Situatives Führen“, „Authentisches Führen“ „Stressbewältigung und Resilienz“, „Moderation und Rhetorik“, „Agile Leadership“, „Führungskraft als Coach“. Hinzu kommen Managementprogramme, die Disziplinen der Unternehmensführung durch Fallstudien einüben sollen.

Wenn Unternehmen für ihre Führungskräfte solche Angebote nutzen, liegt dem – meist unausgesprochen – folgende Annahme zugrunde: Wenn die individuellen Führungskräfte dank der Weiterbildung kompetenter werden, steigt die Führungsleistung in der Organisation – und damit letztlich der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens. Das ist leider ein Trugschluss.

Die Leistung eines komplexen Systems hängt nicht primär von den individuellen Leistungsfähigkeiten seiner Elemente ab, sondern von den eingespielten Mustern. Mit anderen Worten: Das Führungsverhalten der Manager wird wesentlich durch die formalen Praktiken und Strukturen sowie durch die informellen Rollen und Spielregeln des Unternehmens bestimmt. Und genau diese Einflüsse werden während der vielen Seminarstunden nicht verändert.

Das macht den Unterschied zwischen Seminarraum und Organisationspraxis aus. Und das spüren die Führungskräfte in den Seminaren. Daher äußern sie den klassischen Einwand, wenn Trainer ihre Modelle und Techniken vorstellen: „Theoretisch ist das richtig. Aber bei uns läuft das anders bzw. geht das so nicht.“

Der organisationale Ansatz

Wie kann es sein, dass es leistungsstarke Unternehmen mit effektiven Führungsmannschaften gibt, die kein übliches Trainingsprogramm nutzen? Man könnte sagen, es ist ihnen gelungen, die vermeintliche Logik der klassischen Führungskräfteentwicklung umzudrehen. Das Ziel ist nicht, Angebote zu haben, die die Führungskompetenzen individueller Manager erhöhen, damit die Führungsleistung und schließlich die Unternehmensleistung steigen. Das primäre Ziel ihrer Bemühungen ist direkt die Verbesserung der Unternehmensleistung.

Im Zentrum steht die Wertschöpfung und damit der Unternehmenszweck. Die Führungskräfte kommen zusammen, um zu untersuchen, warum Wertschöpfungsprobleme bestehen und wie sie diese durch Veränderungen in den Rahmenbedingungen beheben können. Dabei handelt es sich um Probleme, deren Lösung die Zusammenarbeit mehrerer Teams oder Bereiche benötigt. Diese „Arbeit am System“ ist anspruchsvoll und voraussetzungsvoll. Wenn sie aber gelingt, wird die Unternehmensleistung regelmäßig gesteigert – und als praktischer Nebennutzen wachsen die Kompetenzen der Führungskräfte.

Folgende Punkte sind entscheidend, möchte man diesen Ansatz ins Unternehmen bringen.

 

1. Die oberste Hierarchie macht mit

Dieser Ansatz benötigt das ernsthafte Engagement der Unternehmensleitung. Aber das sollte keine unüberwindbare Hürde darstellen, wenn klar ist, dass es direkt um die Verbesserung der Unternehmensleistung geht.

Natürlich kann der Ansatz in einem ausgewählten Bereich mit akuten Wertschöpfungsproblemen starten. Für die Bearbeitung der Probleme wird nicht ständig die Unternehmensleitung benötigt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Zeitpunkt kommt, an dem die Führungskräfte für die Problembearbeitung Ressourcen oder Zusagen von der Unternehmensleitung benötigen. Damit die Abstimmung mit den obersten Entscheidern gut funktioniert, benötigen Unternehmensleitung und Manager gemeinsame Begriffe und Werkzeuge.

2. Vom Konkreten zum Generellen

Der Ausgangspunkt ist ein Problem, welches die Umwelt des Unternehmens anliefert und für das das Unternehmen noch keine überzeugende Lösung hat. Zum Beispiel die Kundenanforderung nach mehr Volumen, Flexibilität, Geschwindigkeit, Service, Qualität oder Innovation. Es muss klar sein, welches konkrete Problem gelöst werden soll.

Die Lösung selbst steht noch nicht fest. Manchmal reichen kleine Veränderungen, die einen großen Unterschied machen. Manchmal müssen Strukturen angepasst werden. Und oft werden Organisationsexperimente verwendet, um alternative Arbeitsweisen zu verproben.

Wenn sich zeigt, dass ein neuer Ansatz das Problem löst, lohnt es sich zu fragen, welche Erkenntnisse entstanden sind und was sich für weitere Problembearbeitungen ableiten lassen. Die Reflexion der angewendeten Begriffe, Prinzipien und Werkzeuge kann das Theorie-Verständnis aller Beteiligten festigen.

3. Echte Entscheidungsfähigkeit erzeugen

Ein Schlüssel zum Erfolg ist, alle benötigten Perspektiven und Entscheider im Raum zu haben. Es muss klar sein, dass es sich nicht um ein Führungsseminar handelt, sondern um eine Gruppe, die sich um ein Problem versammelt. Diese Gruppe erzeugt ein vertieftes Problemverständnis und entwickelt Handlungsoptionen. Dazu sollten Repräsentanten aller relevanter Perspektiven dabei sein.

Bestenfalls sind auch alle Entscheider anwesend, die benötigt werden, um Regeln, Praktiken und Strukturen zu verändern oder Experimente zu beschließen. Ansonsten gilt Punkt 1: Die finalen Entscheider müssen rasch kontaktierbar sein und dieselbe „Sprache“ sprechen.

4. System-Perspektive einnehmen

Um „am System“ zu arbeiten, wird eine System-Perspektive benötigt. Diese System-Perspektive wird zum Beispiel in unserer Future Leadership Ausbildung vermittelt. Statt nur auf individuelle Akteure oder formale Prozesse zu schauen, wird der Blick auf die tatsächlich eingespielten Muster gelenkt. Diese Perspektive ist für die meisten Managementgruppen ungewohnt. Daher fallen Ungeübte schnell wieder in individualistische Erklärungen zurück.

Ungeübte Gruppen benötigen externe Unterstützung durch Input von Beobachtungen und Werkzeugen sowie Moderation. Andernfalls finden wieder die üblichen Diskussionen statt, die zu den bereits bekannten „Lösungen“ führen.

In Unternehmen mit eingeübten Managementgruppen verschwinden zwar die blinden Flecken nicht vollständig, aber die Fähigkeiten zur System-Perspektive und Selbstbeobachtung sind so ausgeprägt, dass sie ohne externe Unterstützung zu bahnbrechenden Lösungen kommen.

5. Anforderungen an externe Begleitung

Die Begleitung könnte theoretisch auch durch einen Internen geschehen. Das gelingt aber zu Beginn nur sehr selten. Für Interne ist die Wahrnehmung und Beschreibung von System-Mustern besonders schwierig und die blinden Flecken groß. Und interne Kollegen finden meist im Führungskreis nicht die Anerkennung, die für diese Rolle notwendig ist.

Ein externer Begleiter dient als Muster-Erkenner, Dialog-Katalysator, ad-hoc Vermittler von Denkwerkzeugen und Dompteur der Sozialdynamik. Er lenkt den Fokus auf die zu lösenden Probleme, hinterfragt die Form der Leistungserbringung und hilft dabei, nicht-tragfähige Ideen auszusortieren. Und nebenbei sorgt er für das passende Maß an Reflexion, um auch den Lernfortschritt abzusichern.

Während klassische Leadership Trainer die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten der Manager erweitern wollen, geht es dem Organisationsbegleiter um die Leistungsfähigkeit des Kollektivs. Natürlich entwickeln sich die individuellen Kompetenzen der Führungskräfte während des Prozesses auch weiter, aber entscheidend ist, ob sich im Zusammenwirken der Führungskräfte neue Spielregeln etablieren. Das Managementsystem wird leistungsfähiger, während es an der Organisation arbeitet.

Dieser Ansatz benötigt einen externen Begleiter, der extrem situativ arbeitet und mit der Komplexität von Organisationen umgehen kann. Vorgefertigte Trainingsabläufe mit Kommunikationsübungen taugen hier nicht.

Schlussworte

Natürlich können klassische Führungstrainings für ihre individuellen Teilnehmer Nutzen stiften. Ich habe schon vieles in Trainings und Seminaren gelernt, wovon ich bis heute profitiere. Dieser Text ist kein Plädoyer für die Abschaffung aller Führungstrainings, sondern ein Hinweis, dass absolvierte Führungstrainings keine starke Führungsmannschaft oder gar ein erfolgreiches Unternehmen schaffen.

Ausufernde Angebotslandschaften an Führungstrainings in Unternehmen können sogar davon ablenken, dass eben keine Entwicklung des Kollektivs im realen Kontext stattfindet, sondern ausschließlich individuelle Optimierungen in einem verbesserungswürdigen System vorangetrieben werden.

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Im „besten“ Teenageralter fing ich an, nicht mehr an die mich umgebenden Systeme zu glauben. Alles stand auf den Prüfstand: Schule, Freunde, Staat – leider auch die Familie (ich hatte zwei ältere Brüder). Ein Alter, das ich mit vielen Eindrücken, Kontakten und teilweise nächtelangen Diskussionen verbinde. Ich wollte die Menschen in meinem Umfeld überzeugen, dass es auch anders geht – besser. Damals wusste ich noch nicht: wenn sich bestehende Strukturen nicht ändern, ändert sich nur wenig. Der Staat, in dem ich lebte, hat sich verändert (im Grunde ist er nicht mehr da). Von den Organisationen, für die ich tätig war, wollten sich nicht viele verändern – einige davon sind nicht mehr da, andere sind einfach nicht mehr gut.

Ich würde Punkt 2 an 1 setzen. Ohne konkretes Problem ist es schwierig – wie du ja selbst sagst. Und in 5 ist meines Erachtens ein ganz entscheidender Hinweis enthalten – der „interne Verbündete“. Man braucht nicht nur eine Tür oder ein Fenster. Man braucht jemanden der die Hinterbühne kennt und das Unternehmen tatsächlich durchschaut.
Danke für den Einblick! Sehr guter Rahmen!

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