Stell’ Dir vor, Du hast einen Urlaub mit Deinen sechs besten Freunden geplant. Endlich habt ihr es mal geschafft, euch für 9 Tage aus dem Alltag loszueisen und zusammen nach Hintertux in Österreich aufzubrechen.
Nina hatte die Idee, in die Berge zu fahren und hat ein tolles Hotel gebucht, inklusive Spa und Wellness. Anstatt eine Packliste vorzugeben, überließ sie jedem die eigene Organisation.
Das Ergebnis? Chaos beim Auspacken: Wanderschuhe neben Wellnessprodukten, Kletterausrüstung neben Skiern. Ninas Reaktion: „Das ist doch jetzt ein Scherz, oder? Euch kann man aber auch wirklich nicht alleine entscheiden lassen.“
Sind die Freunde zu doof, um vernünftige Entscheidungen zu treffen?
Vertrauensverlust
Wenn das Management ihren Führungskräften und Mitarbeitern Entscheidungen überlässt, erlebt es häufig ähnliche Enttäuschungen. Daraufhin kommt es zu dem Schluss: „Lieber alles selbst entscheiden!“
Der große Nachteil: Das Management wird zum Nadelöhr und die Entscheidungen werden nicht mehr von denen getroffen, die das Problem tagtäglich selbst erleben.
Ein echtes Dilemma!
Aber was soll das Management tun? Häufig wird gefordert, das Management möge loslassen. Einfach mal Vertrauen haben! Mitarbeiter können auch ihren Haushalt schmeißen, warum sollten sie keine Alltagsentscheidungen im Unternehmen treffen können?
Ist es also alles nur eine Frage des Vertrauens?
Wären Du und Deine Freunde die Mitarbeiter von Nina, würdet ihr sie beim nächsten Trip vielleicht darum bitten, euch zu sagen, was ihr packen sollt. Vielleicht würdet ihr die Checkliste einfordern, die Nina bereits angedroht hat. Selbst zu entscheiden, kann ja nur schiefgehen, denkt ihr euch nach der letzten Erfahrung. „Wer weiß, was Nina will.“
Nina würde sich dadurch in ihrer Annahme bestärkt fühlen: „Meine Freunde wollen einfach nicht entscheiden. Können sie auch nicht. Sie sind nicht der Typ dafür. Kein Wunder, dass sie die Verantwortung wieder abgeben wollen.“
Entscheidungen benötigen Entscheidungen
Doch sowohl bei Deinen Freunden als auch in Unternehmen fehlt häufig eine wichtige Zutat. Um operative Alltagsentscheidungen treffen zu können, braucht es nämlich immer auch zentrale Management-Entscheidungen.
Hätte Nina euch gesagt, dass ihr einen Wanderurlaub macht, hättet ihr auch keine Schwierigkeiten gehabt, die nötigen Entscheidungen bei der Gepäckauswahl selbst zu treffen.
Stattdessen haben alle auf Verdacht mehr und dann auch noch das falsche eingepackt. Die Folge waren höhere Gepäckkosten, inkompatible Ausrüstung vor Ort, mehr Ballast etc. Das Äquivalent im Unternehmen: De-Fokus, Ressourcenverschwendung und Wildwuchs.
Zwischen dem Zentrum und der Peripherie eines Unternehmens sollte eine konstruktive Arbeitsteilung bestehen.
Es ist Zentrumsaufgabe für eine greifbare und handlungsleitende Strategie sowie ein stimmiges Führungssystem zu sorgen. Erst dann können in der Peripherie an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten Entscheidungen getroffen werden, die zueinander passen, ohne dass jedes Mal eine Abstimmung stattfinden muss.
Oder anders: Damit viele dezentrale Entscheidungen aufeinander einzahlen und zueinander passen können, braucht es wenige zentrale Entscheidungen. Die Strategie und das Führungssystem eines Unternehmens bilden dieses unsichtbare Band.
Fehlt diese Voraussetzung, sind Mitarbeiter verloren. Entscheiden sie trotzdem, kriegen sie in der Regel einen auf den Deckel. Wer dies ausreichend oft erlebt hat, gibt auf, delegiert nach oben, stellt sich vielleicht sogar dumm.
Strategieschwäche hat also immer auch operative Entscheidungsschwäche zur Folge. Das wiederum verdammt das Management dazu, Mikromanagement zu betreiben – ein Teufelskreis.
Was tun?
Wie erfolgreiche Chefs
Konflikte meistern und sie sogar gezielt zum Erfolg des Unternehmens nutzen OHNE dabei wertvolle Zeit zu verlieren.
Strategiestärke
Ein Klient von uns hatte eine Strategie- und Entscheidungsschwäche. Die Folgen waren die oben dargestellten Symptome. Bevor wir an der Entscheidungsstärke arbeiten konnten (siehe: Der Schlüssel zur Entscheidungsstärke), halfen wir dabei, eine Strategie zu entwickeln.
Eine Strategie ist keine Hochglanzfolie mit Absichtserklärungen. Sie ist auch kein anderes Wort für Ziele. Oder eine Aneinanderreihung von Trivialitäten („Wir setzen auf Qualität und Kundenorientierung“).
Eine Strategie ist ein Werkzeug, um ein Ziel zu erreichen. Deshalb ist sie viel konkreter. Sie besteht aus Taktiken und Plänen.
Strategie bedeutet insbesondere, Klarheit darüber zu schaffen, welche Optionen vom Tisch sind. Eine Strategie verkleinert den möglichen Lösungsraum der operativen Entscheidungen. Strategie sagt NEIN. Strategie gibt Auskunft darüber, was nicht getan wird (siehe dazu auch: Was ist eine gute Strategie?).
Zum Beispiel, welche Leistungen nicht entwickelt werden. Welche Kundengruppen abgelehnt werden. Aus welchem Grund ein bestimmtes Geschäftsmodell verfolgt wird und welche Gründe damit ausgeschlossen sind. Auf welche Marketingstrategien verzichtet wird. Usw.
Euer Ziel war es, einen schönen Urlaub zu verbringen. Was euch fehlte, war eine Strategie. Hier kommt die Analogie natürlich an ihre Grenzen. Denn ich würde mich zugegebenermaßen nicht wundern, wenn der Urlaub trotzdem ein Heidenspaß war.
Ein Unternehmen kommt ohne Strategie jedoch nicht so einfach aus. Jedenfalls nicht, wenn der Markt dynamisch ist. Wer nämlich auf dezentrale Entscheidungskompetenz und Verantwortungsübernahme angewiesen ist, muss Orientierung schaffen und klären, auf welchem Spielfeld gespielt werden soll.