Software und Zusammenarbeit haben ein ambivalentes Verhältnis. Software kann großartiges Teamwork ermöglichen – oder auch verhindern. Dazu möchte ich zwei persönliche Erlebnisse teilen und dann mit Martin Seibert einen Experten zu Wort kommen lassen, der mit einigen Konventionen im Bereich Kollaborationssoftware aufräumt.
Führung trotz Software
Der Einfluss von Software auf die Zusammenarbeit in Teams wurde mir vor einigen Jahren bewusst. Ich war Führungskraft und vertraute meinen Mitarbeitern mehr als unser gemeinsamer Arbeitgeber – das Unternehmen. Mein Führungs-Credo lautete: Ich bringe mich im Team nur dort ein, wo ich auch einen Mehrwert leisten kann. Das galt für die Wertschöpfung genauso wie für administrative Akte.
Und so hatte ich natürlich auch keinen Zweifel daran, dass „meine“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lage waren, ihre Urlaube abzustimmen. Die Tatsache, dass ich jeden Urlaubsantrag in der HR Software freigeben musste, störte mich sehr. Zum einen verschwendete diese Prozedur meine Zeit und ließ meine Kollegen unnötig auf eine formale Antwort warten. Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass die Software meinen Führungsstil konterkarierte. Ich wollte nicht derjenige sein, der Urlaube genehmigt.
Also rief ich die Leitung der HR IT Abteilung an. Es war gar nicht so einfach, mein Anliegen so zu erklären, dass die andere Seite verstand, worum es mir eigentlich ging. Aber zumindest technisch war mein Anliegen klar: Ich wollte, dass Urlaubsanträge meiner Mitarbeiter automatisch genehmigt werden. Die ernüchternde Antwort: Das geht nicht – und wird auch nicht möglich gemacht.
Letztlich habe ich mir mit einer Umgehung beholfen, indem ich meinem Team sagte: „Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Ihr Eure Urlaube absprecht. Deshalb genehmige ich alle Urlaubsanträge, ohne sie zu lesen.“ Ich habe also versucht um die Software herum zu führen. Mein Störgefühl blieb.
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Vertrauen im Prozess
Mein zweites Erlebnis: Als Projektleiter ersetzte ich die Software einer Unternehmensakademie durch eine neue, leistungsfähigere Variante. Hunderte Trainings mit tausenden Teilnehmenden jährlich sollten im neuen System verwaltet werden. Zu den Anforderungen gehörte natürlich auch die Genehmigung der Trainingsanmeldung durch den Vorgesetzten. Das war seit Jahren ein zentraler Prozess-Schritt. Dann stellte ein Software-Berater die entscheidende Frage: Soll der Genehmigungsprozess so bleiben?
Wir erinnerten uns im Projektteam an das Menschenbild, welches wir als Ausgangspunkt für alle Fragen der Organisationsgestaltung nehmen wollten: Menschen wollen und können Verantwortung übernehmen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Also: Weg mit dem Genehmigungsschritt!
Der Wegfall der Vorgesetztengenehmigung hätte noch einen Vorteil gehabt: Jede Anmeldung würde sofort mit einer Bestätigung beantwortet. Bisher mussten die angemeldeten Mitarbeiter auf die offizielle Bestätigung Tage, häufig sogar Wochen warten, weil sich die Vorgesetzen nicht die Zeit nahmen, in der Software zu genehmigen. Nach Wochen des Wartens konnte der Seminarplatz bereits weg sein.
Unser Vorschlag, den Genehmigungsschritt künftig wegzulassen, traf auf jede Menge Bedenken. Mitarbeiter könnten das ausnutzen! Führungskräfte könnten den Überblick verlieren! Und überhaupt: Seminaranmeldungen genehmigen sei nur mal Führungsaufgabe!
Um es kurz zu machen: Wir haben uns mit dem Vorschlag durchgesetzt. Auf der neuen Website wurde darauf hingewiesen, dass eine Anmeldung eine informelle Abstimmung mit der Führungskraft voraussetzt. In der Software genehmigen musste niemand mehr. Und: Führungskräfte und Mitarbeiter erhielten in der neuen Software einen Überblick über alle gebuchten und absolvierten Weiterbildungen. Das unterstützte ihre Dialoge.
Die Anzahl an Beschwerden von Führungskräften wegen des Wegfalls der formalen Genehmigung im ersten Jahr: Null.
Zusammenarbeit dank Software
Die beiden Beispiele oben illustrieren die potenzielle Wirkung digitalisierter Prozesse auf das Klima der Zusammenarbeit. Es gibt glücklicherweise auch jede Menge Software, die vor allem Zusammenarbeit vereinfachen soll. Von Video-Meetings über Projektmanagement-Tools bis zum Social Intranet gibt es eine riesige Auswahl. Da kann man schnell den Überblick verlieren und in manche Falle tappen.
Im intrinsify Podcast spreche ich mit Martin Seibert über seine etwas andere Company, Besucher-Safaris, die Auswahl sinnvoller Software, typische Fallen und die Frage, wer über den Einsatz von Software entscheiden sollte. Martin ist Geschäftsführer der Seibert Media, die sich mit rund 200 Mitarbeitern auf die Wechselwirkung zwischen Teamwork und Software fokussiert.
Während des Gesprächs mit Martin fiel mir auf, wie sich viele Prinzipien unserer Arbeit an Organisationen widerspiegeln in Martins Sicht auf den sinnvollen Umgang mit Software.
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