Mitarbeiterkommunikation

Wie sagen wir es unseren Leuten?

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Es gibt diese eine Frage, mit der fast jeder Management-Workshop endet. Auch beim letzten war es wieder so. Doch oft ist es besser, diese Frage gar nicht erst zu stellen.

Zwei Tage hatten wir mit der Geschäftsführung und der ersten Führungseben verbracht. Es wurde Tacheles geredet. Es flogen auch Fetzen. Früher fiel mir das schwerer, heute weiß ich, dass der Wirksamkeit oft ein Tanz auf der Rasierklinge des Erträglichen vorangeht.

In Gesprächen mit 13 Mitarbeitern des Unternehmens hatten wir zunächst versucht, gemeinsam die Strukturen und Muster zu ergründen, die erklären könnten, warum ein oberflächlich banal wirkendes Qualitätsproblem sich so hartnäckig hielt. Und das trotz zahlreicher Qualitätsinitiativen. Unsere Beobachtungen reflektierten wir in dem besagten Workshop.

Die gewonnenen Erkenntnisse waren für alle ein Durchbruch. Es war klar, dass sich nun etwas ändern würde. Manches unmittelbar, anderes erst später.

Doch was genau teilt man den Mitarbeitern zu diesem Zeitpunkt mit? Es waren ja noch nicht alle Entscheidungen getroffen worden? Es gab noch Unklarheit bezüglich des weiteren Vorgehens. Wir würden uns zu einem nächsten Termin verabreden, so viel war klar. Doch was passiert in der Zwischenzeit?

Und so packte das Pflichtgefühl einen der Manager bei seiner Ehre und er stellte die Frage, die an dieser Stelle immer gestellt wird: »Wie sagen wir das jetzt eigentlich unseren Leuten?«

Eine typische Frage für eine typische Situation. Auf die meist eine ebenso typische Reaktion folgt. Dieses Mal jedoch nicht. Aber der Reihe nach!

Redaktionelle Zensur

In der Regel wird mit dieser Frage ein anderer Gesprächsmodus eingeläutet. Wo es eben noch um die Sache ging, erinnert man sich jetzt wieder an die tagtägliche Taktik, die Politik, die Fettnäpfchen.

»Die (Mitarbeiter) können vielleicht nicht mit der Wahrheit umgehen. Wir sollten es ihnen schonend beibringen.«
»Wir dürfen uns auf keinen Fall widersprechen. Wir müssen mit einer Stimme sprechen.«
»Was ist denn die Story? Wie machen wir das rund?«
»Welche Ängste könnten entstehen? Wie beugen wir dem vor?«

Am Ende steht eine Sprachregelung. Je nach Unternehmensgröße, wird die noch von der Kommunikationsabteilung überarbeitet, bis dann eine redaktionell glatt geschliffene Mitteilung ausgegeben werden kann.

Mit dem Maß des redaktionellen Eingriffs steigt typischerweise auch das Misstrauen, das dem Management entgegengebracht wird. Wer sich zunächst abstimmen muss, könnte etwas zu verbergen haben. »Ob die was im Schilde führen? Womöglich gegen unsere Interessen?«

Dass nicht der Manager spricht, sondern die Redaktion, riecht jeder Mitarbeiter natürlich bereits aus zehn Meilen Entfernung. Schnell ist klar: Die Führungskräfte vertreten sich nicht selbst, sie sind Marionetten einer geskripteten Sprachregelung.

Das Spiel erwidern die Mitarbeiter. Auch sie verstecken sich hinter ihrer Rolle. Sie nehmen die unbewusste Einladung zur Selbstinfantilisierung an, geben sich also unterwürfig oder stellen sich dumm. Es begegnen sich nicht Julia und Felix, sondern die kaufmännische Bereichsleiterin mit dem Sachbearbeiter im Controlling.

Was mit guter Absicht begann, endet in einer Zunahme der Distanz und des gegenseitigen Misstrauens. Das liegt daran, dass eine wesentliche Erkenntnis fehlt: Der Unterschied zwischen Mitteilung und Kommunikation.

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Kommunikationsabteilungen können gar nicht kommunizieren

Die Mitteilung ist das Gesagte oder Geschriebene. Die Kommunikation ist das daraus Entstehende.

Was eine Mitteilung bedeutet, erschließt sich immer erst durch die Folgemitteilung. Eine Mitteilung bekommt ihre Bedeutung also immer nachträglich zugeschrieben.

Einfaches Beispiel: Wenn ich mich bei jemandem mit meinem Vornamen vorstelle, habe ich eine Mitteilung abgesetzt. »Hallo, ich bin Mark.«

Je nachdem ob die Reaktion »Freut mich, ich bin Kathrin« lautet und mich die Dame dabei freundlich anlächelt oder ich »Müller, angenehm« zu hören bekomme und sie sich dabei herablassend von mir abwendet, weiß ich (und andere) im Nachhinein, welche Bedeutung meine Mitteilung hatte.

Diese Aufladung mit Bedeutung hängt wiederum von dem Umfeld ab, in das ich meine Mitteilung hinein absetze. So „muss“ die zukünftige Chefin einer konservativen Bank meine informelle Anrede als Affront interpretieren, während die Kollegin im Startup mit nichts anderem gerechnet hätte.

Dass erst die Reaktion bestimmt, was ich zuvor gemeint habe, berücksichtige ich natürlich bereits in der Ausgangsmitteilung. Das bedeutet, dass ich in jeder sozialen Interaktion stets in komplexen Erwartungsschleifen verstrickt bin.

Mit anderen Worten: Ich kommuniziere nicht, ich teile nur mit. Niemand macht Kommunikation. Ich nicht, Du nicht, niemand. Auch eine Kommunikationsabteilung kommuniziert nicht. Nur das Unternehmen selbst kommuniziert – so könnte man es formulieren. Und so hat es auch der Soziologe Niklas Luhmann formuliert, auf dessen systemtheoretischem Fundament weite Teile unseres Future Leadership Werkzeugkastens aufgebaut sind.

Gleiches gilt für die offizielle Sprachregelung nach einem Workshop. Die Mitteilung (Sprachregelung) entspricht nicht der Kommunikation. Neben dem Inhalt ist entscheidend, wer etwas in welchem Kontext sagt. Umso redaktionell aufbereiteter die Mitteilung, desto stärker rückt der Inhalt in den Hintergrund und das Kommunikationsmuster in den Vordergrund.

Mit anderen Worten: Jede Führungskraft kann mit einer noch so durchdachten, widerspruchsfreien und mit den Kollegen abgestimmten Botschaft an ihre Mitarbeiter herantreten, was in der Regel ankommt ist: »Die haben sich abgestimmt, um uns gegenüber eine Story zu erzählen.«

Dass sich Mitarbeiter daraufhin manipuliert, instrumentalisiert oder abgewertet fühlen, ist keine Überraschung. Die Quittung ist Misstrauen und ein Ausbau der zwischen Management und Mitarbeitern unterhaltenen Distanz.

 

Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen (Buch von Lars Vollmer)

WIE SICH MENSCHEN ORGANISIEREN, WENN IHNEN KEINER SAGT, WAS SIE TUN SOLLEN

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Redaktionelle Unabhängigkeit

Als der oben genannte Workshop sich dem Ende näherte und einer der Kollegen die übliche Frage stellte, rieten wir deshalb zu folgendem:

»Lasst uns hier und jetzt nur noch über eine Sache Klarheit herstellen. Nämlich darüber, was geheim bleiben muss, weil es zu sensibel ist, um diesen Kreis zu verlassen. Und dann trennen wir uns und überlassen es jedem einzelnen, frei davon zu erzählen, was er hier erlebt hat. Geben Sie preis, wo sie selbst noch Unklarheiten sehen. Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, eine „Story“ zu erzählen. Schildern Sie einfach Ihren Eindruck des Workshops und Ihre Erkenntnisse.«

Das führte zu drei Dingen:

Erstens entlastete es alle, weil das unangenehme Gefühl verflog, sich gegen die eigenen Mitarbeiter zu verschwören.

Zweitens fand jede Führungskraft in Gegenwart ihrer Mitarbeiter ihre ganz eigenen und für sie ebenso passenden wie typischen Worte. Die Mitarbeiter verstanden deshalb inhaltlich mehr. Und zwar weil gerade nicht jedes Wort präzise abgewogen und jeder Satz auf Anstößigkeit oder Missverständnispotenzial hin untersucht wurde. Menschen, die frei reden, klingen wie Kollegen, nicht wie Marionetten ihres Amtes.

Drittens wurde das Vertrauen der Mitarbeiter in ihr Management gestärkt, weil sie an einem Stand teilhaben konnten, der noch Unklarheiten aufwies. Damit war klar, dass die Führungskräfte bereit waren das Risiko einzugehen, nicht auskunftsfähig zu sein. Und Verletzbarkeit stiftet bekanntlich Vertrauen.

Natürlich gibt es Geheimnisse, die hinter verschlossenen Türen bleiben müssen. Wenn eine betriebsbedingte Kündigung sich als Alternativlosigkeit aufdrängt, wird man meist gut beraten sein, vollendete Tatsachen zu präsentieren.

Auch wettbewerbsempfindliche Entwicklungsvorstöße oder geheime Prototypen mögen hinter verschlossenen Türen bleiben müssen.

Doch in aller Regel schafft der Anruf bei der Kommunikationsabteilung, die Beauftragung einer externen Agentur oder der Griff zur offiziellen Sprachregelung den Nährboden für Business-Theater. Wie immer, wenn man versucht zu kontrollieren, was sich der Kontrolle entzieht.

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Hallo Mark! Grossartiger Beitrag – vielen Dank dafür.

Dieser erinnert mich auch ein wenig an den Ausspruch meines Grossvaters, der mich mal bei einem sehr speziellen Vorfall zur Seite genommen und gesagt hatte: „Bub, wer immer ganz offen ist, kann auch nicht ganz dicht sein“ – und ergänzte mit einem Nachsatz: „die Wahrheit hält grundsätzlich jeder aus – jedoch überlege dir stets vorher ob Du Schmerzen auslösen oder etwas damit kaputt machen kannst und dann entscheide.“

Ich bin unter einer Prämisse einverstanden, nämlich dass die Gruppe der kommunizierenden (oder mitteilenden 😉 ) Menschen dasselbe Verständnis von dem hat, was kommuniziert werden soll, also dass es inhaltliche Klarheit gibt.
Ich würde behaupten, dass es bei uns so läuft wie hier beschrieben, es kommt aber häufiger zu Widersprüchen, was der eine und was der andere kommuniziert, weil im ersten Teil aneinander vorbeigeredet wurde. Das führt dann schon mal zu ganz schön teuren (und hoffentlich unnötigen) Verwerfungen bei der Umsetzung.
Ansonsten bin ich total dabei: Wenn Menschen mit Menschen reden, stellen normalerweise auch Missverständnisse kein Problem mehr dar, da genug Vertrauen entsteht, um keine Absicht unterstellen zu müssen.

Toller Beitrag. Danke dafür. Ich möchte noch ergänzen oder verstärken, was in Teilen schon oben angeklungen war und noch zwei Fragen aufwerfen.

In oben genannten Beispiel wird darüber entschieden, dass ein Teil an Informationen zunächst noch geheim zurückgehalten wird und ein weiterer bereits – mit all den damit verbundenen Unsicherheiten – in individueller Ausgestaltung nach außen getragen wird.

Jetzt kommen mir zwei Fragen auf:

1. Was hält die Kollegen eigentlich davon ab, den „geheimen“ Informationsanteil nach außen zu tragen?

Vielleicht hat eine solche Selbstklärung in eurem Fall stattgefunden. Das Ergebnis fänd ich ganz interessant. Ist es womöglich eine drohende, von Irritation oder gar Verärgerung getragene, Reaktion der Mitarbeiter, die ich persönlich – als Frank – nicht verselbstreguliert kriege? Oder bringt es „das Unternehmen“ womöglich in Erklärungsnöte und es muss sich später schließlich doch noch selbst in seinen Inkonsistenzen in der Kommunikation oder sogar in einer konkreten Problemlösestrategie ertappen lassen? Um dann am Ende durch irgendeine nachgelagerte Abwehrreaktion (Beschwichtigungen, Erklärungen oder Rechtfertigungen z.B.) Schadensbegrenzung vorzunehmen?

Das spannende an Kommunikation ist – und das klingt ja oben auch schon an – dass wir keine Mitteilung unreflektiert von uns geben, sondern bereits in unserem Kopf noch vor Absenden der Botschaft ein blitzschneller Interpretationsprozess abläuft. Nämlich darüber, was wir meinen, WIE der andere auf unsere Botschaft reagieren könnte. D.h. wir senden Botschaften auf der Basis unserer Interpretation oder Erwartung einer „Gegenreaktion“, und das stets mit dem Ziel, unser Gesicht wahren zu können und Boden unter die Füße zu kriegen (Sicherheitsmotiv). Auf Basis dieser Interpretation treffen wir eine Entscheidung darüber, WAS wir überhaupt mitteilen, was wir zurückhalten und wie wir es ausschmücken und verpacken. Das ist spannend. Denn es macht deutlich, dass auch organisationale Kommunikation immer auch vom Faktor Mensch getragen wird. Das zeigt der oben dargestellte Austausch unter den Kollegen.

Eine weitere Frage, die mir kam:

2. In dem Moment, wo sich die Kollegen für eine Teil-Informationszurückhaltung entscheiden, halten sie sich selbst und ihre Mitarbeiter nicht auch in einer Art Adoleszensfalle?

Die Frage ist zugegebenermaßen etwas rhetorisch gestellt – merke ich gerade beim Schreiben. Ich würde es mal unter „lautes Denken“ subsumieren. Vielleicht könnte man das mal mit der Brille der Transaktionsanalyse nach E. Berne untersuchen. Aber man könnte es auch genauso gut lassen. Alles in allem haben die Kollegen einen Weg gefunden, eine Kommunikationsstrategie zu finden, mit der sich alle zunächst arrangieren und wohlfühlen können. Zumindest auf Seite der Führungsriege.

Vielleicht gibt es ja mal einen weiteren Beitrag dazu, wie es weitergegangen ist und die Reaktionen der Mitarbeiter ausfielen.

Herzliche Dank für den Beitrag. Es macht Freude, eure Artikel zu lesen.
Kathrin

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