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Denkgrundlage

Wozu überhaupt agiler werden?

Die Geschichte von Molly's Seaspray und schlechtem Kaffee
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Dieser Beitrag könnte die Mutter aller meiner Beiträge sein. Nicht weil ich von mir aus behaupten möchte, er sei besonders gut, sondern weil er eine der wichtigsten Denkgrundlagen beinhaltet. Und mir ist aufgefallen, dass ich diese noch nie in einem Artikel zu Papier gebracht habe.

Wenn Agilität die Lösung ist, was ist dann das Problem?

Ich habe ein Ritual, dass ich nahezu täglich praktiziere: Irgendwann im Laufe des Tages – meistens während eines Telefonats – schlendere ich von unserem Haus an den berühmten weißen Klippen der englische Südküste entlang und hinunter in das kleine, beschauliche Dorf, an dessen Rand wir leben.

Dann biege ich links auf die Straße ab, die hinunter zum Meer führt und hole mir bei Seaspray einen Oat Flat White, also eine Cappuccino-Variation mit Hafermilch.

Wären wir vor mehr als vier Jahren hier hergezogen, hätte ich mir solche Erste-Welt-Präferenzen abschminken können. Da gab es hier weder Flat White, noch überhaupt guten Kaffee. Denn da war Seaspray noch nicht im Besitz meines (inzwischen) Kumpels Lewis.

Sein Vorgänger hatte kein Talent für das Betreiben einer guten Gastronomie, geschweige denn für das Brühen eines anständigen Kaffees.

Bevor Lewis mit seinem großstädtischen Gespür und langjähriger Gastronomie-Erfahrung den Laden übernahm, gab es hier eigentlich nur die Wahl zwischen schlechtem Filterkaffee mit oder ohne Milch.

Der Platzhirsch war Molly’s. Denn die waren und sind direkt unten am Strand. Und das reichte als Kaufargument.

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Gestiegene Dynamik

Doch seit vier Jahren hält Lewis das Dorf auf Trab. Die Nähe zum Meer reichte Molly’s schon nach wenigen Wochen nicht mehr, um gegen Lewis anzustinken. Schon bald machte es auch nichts mehr, dass Lewis‘ Kaffee deutlich teurer ist als das Preisniveau der anderen Cafés in unserem Dorf.

Sowohl Molly’s als auch die anderen mussten Nachziehen. Der Siebträger musste her. Snacks, die nicht mehr nur aus 100% Zucker bestehen, gesellten sich ins Portfolio. Molly’s sprang sogar über ihren Schatten und bot neben Earl Grey unterschiedliche Kräutertee-Sorten an – wenn Du mich fragst immer noch 2. Wahl, aber immerhin.

Als die Schlangen sich vor Lewis‘ Café verlängerten, gingen manche Kunden direkt weiter. So gut, dass man eine Stunde auf sein Frühstück warten muss, war er in der Wahrnehmung mancher Kunden eben doch noch nicht.

Das brachte Lewis wiederum in Zugzwang und er überarbeitete sein Menü, die Prozesse von der Bestellung bis zum Servieren und baute Personal auf.

Seitdem schaukeln sich die kleinen Innovationen im hiesigen Café-Gewerbe wechselseitig auf ein Niveau, das sich vor dem benachbartem Brighton nicht mehr in jeder Hinsicht verstecken muss.

Um es in der Future Leadership Sprache zu sagen: Bei uns im Dorf ist die Dynamik gestiegen. Um hier als Café überleben zu können, muss man diese Dynamik aushalten und selbst zu ihr beitragen, sonst wird man Opfer der kreativen Zerstörung.

Wozu überhaupt agiler werden?

Agilität ist Ausdruck der Fähigkeit, sich in Gegenwart dieses dynamischen Marktumfeldes behaupten zu können.

Das heißt weiterhin: Agilität ist nur nötig, wenn der Markt dynamisch ist. Oder anders: Jede Agilität ist immer nur eine Agilität im Bezug zu dem Markt, auf den sie trifft. Wer agiler werden will, kann das also nicht tun, ohne dabei den Markt zu beobachten.

Schon gar nicht kann es Agilität aus der Konserve geben. Was bei dem einen Unternehmen zu der passenden Agilität führt, könnte bei einem anderen Unternehmen eines anderen Marktes zu Verschwendung führen.

Denn wenn zu viel Agilität auf zu geringe Dynamik trifft, ist das Ergebnis eine unwirtschaftliche Organisation.

Diese Erkenntnis ist deshalb so grundlegend, weil sie zu dem Denkfundament einer jeden Veränderungsinitiative gehören muss.

Erst letzte Woche bin ich in unserer Ausbildung wieder auf einen Fall gestoßen, bei dem sich recht zügig herausstellte, dass die gesamte, vor einem Jahr gestartete agile Transformation vollständig unnötig ist, weil sie auf ein Unternehmen trifft, das sich einer Marktträgheit erfreut, die sogar Frederick Taylor begeistert hätte.

Future Leadership braucht es erst seit wenigen Jahrzehnten

Die Existenzberechtigung von intrinsify und unserem Future Leadership Denkgebäude ist überhaupt nur nötig, weil die Dynamik der Märkte je nach Branche in den letzten 15-60 Jahren massiv zugenommen hat.

Als Frederick Taylor 1911, vier Jahre vor seinem Tod, sein letztes und zugleich bekanntestes Buch schrieb, hat die Umwelt der meisten Unternehmen still gehalten. Da gab es nur Molly’s. Kaffee wollte jeder, das Angebot war klein, die Produktqualität deshalb nahezu egal.

Das Problem unangemessener Wirtschaftlichkeit und niedriger Löhne konnte und musste man damals lösen, indem man das Unternehmen so maschinell wie nur irgend möglich gedacht hat. Agililtät wäre der Feind der Wirtschaftlichkeit gewesen.

Die Anwender der tayloristischen Management-Prinzipien konnten ihren Mitarbeitern zum Teil das doppelte Gehalt zahlen. Eben weil sie auf Agilität verzichteten. Agilität war der Feind, denn sie wäre mit einer geringeren Prozesstreue einhergegangen, die für die Effizienzgewinne unerlässlich war.

Das Gleiche gilt auch heute noch. Die wenigen Unternehmen, die sich einer wettbewerbsarmen Umwelt erfreuen können, sind gerade dann in der Lage, gut zu bezahlen und weitere Mitarbeiter einzustellen, wenn sie nicht auf den agilen Zug aufspringen, sondern die Optimierungspotenziale „klassischen“ Managements nutzen.

Analog dazu sollten sich dynamikgeplagte Unternehmen die wichtige Frage stellen: Wo genau werden wir denn von Dynamik geplagt? Und nur da erhöht man die Flexibilität an ein marktgerechtes Niveau.

Ich gehe übrigens weiterhin zu Lewis. Inzwischen ist er ein guter Freund von mir. Da müsste sein Kaffee schon echt massiv abbauen, bevor ich mal bei Molly’s aufschlage. Dabei bietet Molly’s jetzt auch Hafermilch an. Allerdings die schlechtere. Ach Molly.

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Hi Mark, deine Definition von Agilität gefällt mir schon ganz gut, ist aus meiner Sicht aber etwas unpräzise. Ich würde sie – hoffentlich nützlich – um eine Unterscheidung ergänzen wollen: „Agilität ist darüber hinaus die Fähigkeit, Dynamik und damit Marktdruck erzeugen zu können.“ Denn behaupten können sich ja auch noch Unternehmen, die zumindest auf der Vorderbühne noch tayloristisch organisiert sind. Die agilen Unternehmen nehmen also die Dynamik in Gebrauch und leiden nicht unter ihr.

Hallo Mark,
schön, dass du -mal wieder- zu Recht darauf aufmerksam machst, dass nicht jedes gute Thema umgesetzt werden muss, bloß weil es gerade „in“ ist, sondern umgesetzt werden sollte, weil/wenn es sinnvoll ist.
Ich antworte aber mal auf deine obige Abgrenzung mit einem anderen Buzzword: Disruption.
Ist es nicht ein wenig zu reaktiv, darauf zu warten, dass das Marktumfeld dynamisch wird, bevor ich mich im Unternehmen mit Agilität auseinandersetze?
Angenommen ein anderer Marktteilnehmer geht ein, im weitesten Sinne mein Unternehmen betreffendes Thema, mit einem disruptiven Ansatz an. Dann kann es eine ganze Weile dauern, bis das
a) direkte Auswirkungen auf mich hat – bei den ersten Smartphones war es auch nicht gleich klar, dass das (überspitzt formuliert) der Tod für Kameras sein wird – und
b) ich das Thema überhaupt mitbekommen habe.
Wenn also der dynamische Markt dann bei mir ankommt, ist es vielleicht schon zu spät für mich, agile Transformation zu starten. Weil ich dann nur hinterlaufe – und im Zweifel nicht mehr rechtzeitig aufhole.
Auch wenn ich heute aufgrund der Marktträgheit noch ganz gut ohne Agilität auskomme, kann es doch nicht schädlich sein, mich darauf vorzubereiten, dass dieser sehr angenehme Zustand nicht immer so bleibt. Und die agile Transformation schon anzugehen, um sozusagen „ready“ zu sein, würde ich nicht unbedingt als unnötig bezeichnen.

Hallo Mark,

ach – wie mir dieser Beitrag aus dem Herzen spricht – und auch sehr charmant formuliert.

Ein sehr treffendes und wunderschön zu betrachtendes Beispiel – vielen Dank dafür.

Mit besten Grüßen, aktuell aus Osnabrück,
Manfred

Ich weiß was Du meinst und ich gebe Dir Recht und gleichzeitig würde der Klugscheißer in mir würde sagen, dass „behaupten“ streng genommen die Erzeugung von Dynamik mit einschließt. Oder anders: Kein Unternehmen kann langfristig in einem dynamischen Markt überleben, wenn es nicht selbst Dynamik erzeugt. Einzige Ausnahme: Es hängt am Tropf von Geldgebern.

Je nachdem wie Du es verstehst. Dass ein Unternehmer in seiner Weitsichtigkeit, neue Geschäftsmodelle initiiert und damit dem Lebenzyklus auslaufender Geschäftsmodelle Rechnung trägt, gehört zur Unternehmeraufgabe. Diese Reflexion sollte regelmäßig passieren. Die Komplexität eines Unternehmens zu erhöhen – nichts anderes ist ja höhere Agilität – obwohl der Markt diese Komplexität nicht erfordert, kann aber sehr schnell auf Kosten der Wirtschaftlichkeit gehen.

Gracias Manfred

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