Donnerstag, 29. August: Unternehmenskultur entwickeln

10 Tipps zur wirksamen

Transformation im Mittelstand

Einleitung »Ist Dir schon einmal folgendes aufgefallen: Bewusst als solche titulierte Transformationsprojekte hinterlassen viel seltener die gewünschte Wirkung, als die unaufgeregt in den Alltag injizierten Veränderungsmaßnahmen.

Ich erinnere mich an eine durchaus umfangreiche strukturelle Umstellung in der Lagerlogistik eines Maschinenbauers, die vom Logistikleiter initiiert wurde. Nach wenigen Tagen war die Verbesserung spürbar. Die Durchlaufzeit konnte in den nächsten Wochen um mehr als 40 % (!) gesenkt werden.

Im gleichen Unternehmen arbeitete sich ein Transformations-Team mit einem hochaufgehangenen und von viel Tamtam begleiteten Change-Projekt seit Monaten am Immunapparat der Organisation ab. Ohne echte Wirkung.

Ich muss Dir was beichten: Ich war damals Teil des Transformations-Teams. 

Solche und ähnliche Erfahrungen haben mich natürlich geprägt und ich habe über die Jahre durch viel Praxiserfahrung und nützliche theoretische Denkwerkzeuge begreifen dürfen, welche Fettnäpfchen es zu meiden gilt und welche Strategien erfolgversprechender sind.

Die folgenden 10 Tipps enthalten unsere Erfahrungen aus der Arbeit mit gut 150 Unternehmen, der Begegnung mit über 3.000 Akademie-Teilnehmern, Hunderten von Sparrings, 536 (bin gerade selbst über unsere detaillierte Dokumentation begeistert) bearbeiteten Anliegen in der Praxistransfer-Session unserer Ausbildung und vielen weiteren Kontaktpunkten mit der Praxis.

Inhaltsverzeichnis

Sorgt für eine echte Führungsmannschaft!

Sorgt für eine echte Führungsmannschaft!

Unsere letzte Staffel der befreienden Impulse drehte sich bereits um die Bedeutung einer echten Führungsmannschaft. Wenn die erste Führungsebene…

  • unterschiedliche Ziele hat und sich deshalb ständig widerspricht und in Konflikte gerät,
  • nicht theoriefest ist und deshalb nicht so führen kann, wie es für die jeweilige Situation angemessen ist oder
  • kein konsistentes Führungssystem nutzt, in dem Strategien, Prinzipien und Management-Instrumente ineinander greifen, …


… dann haben die meisten Verbesserungsmaßnahmen keinen Bestand, weil ihnen ihr Fundament immer wieder entzogen wird.

Konkretes Beispiel: 

Nachdem wir im Interesse der kürzeren Lieferzeit mit einem Produktionsleiter daran gearbeitet hatten, alle individuellen Ziele vorübergehend auszusetzen und die Mitarbeiter nicht hinsichtlich ihrer Auslastung zu beurteilen, schlichen sich diese Kennzahlen über das Controlling später wieder ein.

Weil die beiden Abteilungsleiter kein geteiltes Bild von einem wirksamen Führungssystem hatten, wurde die nachweislich erfolgreichere Lösung wieder einkassiert, weil sie kalkulatorisch nicht ins Management-Dashboard passte.

Ich habe schon etliche Male leidlich erfahren müssen, wie ein gelöstes Problem sich über die Hintertür wieder seinen Weg zurück in die Organisation gefunden hat, weil an anderer Stelle Entscheidungen getroffen wurden, die die Voraussetzungen unterhöhlt haben, unter denen die Lösung des Problems sich hätte stabilisieren können.

Für eine nachhaltige Veränderungsarbeit ist es deshalb essenziell, dass ihr eure erste Führungsebene zu einer echten Führungsmannschaft macht.

Sonst wird Transformation regelmäßig zur Sisyphos-Arbeit. Kaum ist ein Problem gelöst, ist es auch schon wieder da.

Der “Hebel Führungsmannschaft” ist der Hebel, der die Bewegung aller anderen Hebel im Unternehmen deutlich erleichtert.
Kaderschmiede

In 12 Monaten zum All-Star Führungsteam

Schließt eure anspruchsvollsten Projekte ab und erreicht eure Ziele
ohne das Leitbild und euren Führungsstil über den Haufen zu werfen.
Relevante Umwelt

Berücksichtigt immer zuerst die relevante Umwelt

Fragt ihr euch manchmal, warum eure Change-Maßnahmen im Sande verlaufen? Verspürt ihr auch schon in der Anbahnungsphase von Transformationsprojekten ein Bauchgrummeln bei euch und euren Kollegen? Denkt ihr euch dann “Das Vorhaben klingt ja sinnvoll, logisch und richtig, aber meine Intuition meldet mir, dass wir etwas übersehen.”?

Hört auf diese Intuition. Denn häufig steckt dahinter ein Gespür für eure Organisation, das ihr erworben habt, ohne es verbalisieren zu können.

Jede Organisation – ob Unternehmen, Verein oder Behörde – ist ein System, das einen Weg gefunden hat, so mit seiner relevanten Umwelt umzugehen, dass es überleben kann. Dabei haben sich Muster herausgebildet, von denen viele unsichtbar sind oder tabuisiert werden.

Ein konkretes Beispiel:

Wir haben ein Softwareentwicklungsunternehmen begleitet, das seine Aufträge im Wesentlichen durch einen externen Partner zugespielt bekam, der seinerseits exklusiven Zugang zur Vergabe von Aufträgen in der Verwaltung hatte. Einer der Geschäftsführer hatte einen sehr guten persönlichen Draht zu diesem Partner. Zumindest kurzfristig war diese Beziehungskette also existenzsichernd.

Der Vertrieb war in diesem Unternehmen deshalb de facto eher eine Account-Verwaltung; das Marketing richtete sich eher nach innen und unterstützte die Erstellung von Unterlagen; und viele Entscheidungen mussten zwingend zunächst über den Tisch des Geschäftsführers, um ein Risiko für die Partnerschaft ausschließen zu können.

Wer in diesem Unternehmen etwas verändern wollte, lief immer dann gegen Wände, wenn der Veränderungsvorstoß die oben beschriebenen Muster destabilisiert hätte. Das tat zum Beispiel ein von der Agilitäts-Mode inspirierter Versuch, die Hierarchien abzubauen, der im Konflikt mit der Notwendigkeit stand, nahezu alle Entscheidungen mit dem Geschäftsführer abzustimmen.

Das Transformationsvorhaben hätte die Existenzgrundlage gefährdet. Und genau das lassen Organisationen nicht ohne Weiteres mit sich machen.

Damit eine Change-Maßnahme wirksam sein kann, sollte sie also immer einen Beitrag zur Fähigkeit des Unternehmens leisten, besser mit seiner Umwelt umgehen zu können, d.h. die Überlebensfähigkeit zu erhöhen.

Im Falle des obigen Beispiels hieß das entweder, die bestehende Beziehungskette noch besser nutzen zu können oder (langfristig attraktiver) die Abhängigkeit von dem externen Partner durch selbst akquiriertes Geschäft zu reduzieren.

Dazu müssen jedoch systemeigene Muster überwunden werden, was ebenfalls eine große Herausforderung darstellt (siehe Tipp 4 und 6).

Wichtig für euch bei der Transformationsarbeit ist also immer der Blick nach Außen. Wer die Umwelt einer Organisation nicht versteht, kann auch die Organisation selbst nicht verstehen.

Wertschöpfung

Stellt einen Wertschöpfungsbezug her

Wenn wir ein Beratungsprojekt mit einem neuen Kunden vereinbaren, widmen wir in der Anbahnungsphase einen sehr ausführlichen Teil der Auftragsklärung immer der Frage nach der Wirkung und den Indizien, an denen diese Wirkung festgestellt werden kann.

Das hat zwei wesentliche Gründe, die eng miteinander verbunden sind:

Erstens, sollte ein Transformationsvorhaben immer ein Vielfaches von dem erwirtschaften, was es kostet (im Falle der Beratung in Form des Honorars und der gebundenen Arbeitszeit).

Wenn die Zuversicht dafür nicht gegeben ist, wird das Projekt nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit von der Organisation ausgeschwitzt, anstatt Ressourcen hinter sich bündeln zu können.

Das liegt ganz einfach daran, dass ein Unternehmen ständig an die wirtschaftlichen Zwänge seiner Umwelt erinnert wird. Z.B. indem Kunden sich aufgrund besserer Leistungen für den Wettbewerber umentscheiden, neue Vertriebsgelegenheiten entstehen, sich Reklamationen häufen usw.

Früher oder später muss sich also jeder Vorgang in einem Unternehmen der Frage beugen, ob er für den wirtschaftlichen Erfolg einen Beitrag leistet oder nicht. “Lohnt sich das?”, ist die Frage, der man zumindest in einem Wirtschaftsunternehmen nicht entkommen kann.

Wenn es sich nicht lohnt, dann äußert sich der Immunapparat durch Belächelung, Sabotage, Aussitzen, informelles Umgehen oder indem das Projekt einfach langsam aber sicher ausläuft.

Wenn der Abteilungsleiter zum Beispiel während des Projektmeetings angerufen wird und dann voller inszenierter Demut um Entschuldigung bittet, während er den Raum verlässt, dann teilt er implizit mit: “Ihr wisst ja, wir müssen hier auch noch einen Wirtschaftsbetrieb führen. Aber macht ihr mal weiter, wir haben ja schließlich beschlossen, dass wir das Projekt machen”. Jetzt ist jedem klar: Das Projekt ist nice-to-have.

Die Frage nach der Wirkung hat noch einen zweiten Grund. Sie zwingt zur gewissenhaften Auftragsklärung und immunisiert vor Standardlösungen.

Viele denken in Lösungen. Lösungen wie einem Kulturentwicklungsprogramm, der Einführung agiler Methoden, einer Purpose-Initiative, der Einführung eines neuen Feedbacksystems, einer Schulungsreihe für Führungskräfte usw. Wenn die wahre Problemursache nicht bekannt ist, passen die Lösungen aber nur zufällig zum Problem.

Wer die Wirkungsfrage stellt und sich dabei nicht mit Plattitüden zufriedengibt, erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass nicht einfach irgendein modisches Konzept ausprobiert wird, sondern ein Weg gefunden wird, der zu den spezifischen Herausforderungen des jeweiligen Unternehmens passt.

Und genau da setzt wirksame Transformationsarbeit ein.

Deshalb ist es eine zentrale Voraussetzung wirksamer Transformationsarbeit, immer einen Wertschöpfungsbezug herzustellen.

Anschlussfähigkeit

Sorgt dafür, dass jede Change-Maßnahme anschlussfähig ist

Ich bin ein sehr wettbewerbsorientierter Mensch und tendiere deshalb dazu, in jeder Gelegenheit einen potenziellen Wettkampf zu sehen. Anstatt einfach mal den Moment zu genießen, wird so zum Beispiel aus dem entspannten Akt, Steine ins Wasser zu werfen, direkt eine “Wer trifft am häufigsten den kleinen Felsen, der aus dem Wasser ragt” – Challenge.

Das führt dazu, dass gute Freunde wissen, welchen Knopf sie drücken müssen, um ein gewünschtes Verhalten bei mir auszulösen. Es reicht ein “Ich wette, Du bist nicht in der Lage … “ und schon bin ich dabei.

Was machen meine Freunde da?

Ganz einfach: Sie instrumentalisieren ein Muster meiner Persönlichkeit.

Würden sie mir sagen wollen, was ich machen soll, würden sie das Gegenteil bewirken. Denn darauf reagiere ich eher empfindlich.

Nicht nur Psychen funktionieren auf Basis von Mustern. Organisationen tun das auch. Bloß sind es da eben nicht Gedanken-Muster, sondern Kommunikations-Muster.

Und so wie es nichts bringt, mir zu sagen, was ich machen soll, so bringt es auch nichts, zu verkünden, was in einer Organisation passieren soll.

Ein Change-Vorhaben darf sich nicht auf seine guten Argumente verlassen. Tut es das trotzdem, greift es zu dem, was die Fachsprache eine “naive Intervention” nennt.

Das Zauberwort lautet: Anschlussfähigkeit. Anschlussfähigkeit ist ein Begriff, der leider verballhornt wurde, bevor er überhaupt über die Grenze der Change-Szene hinausgedrungen ist.

Viele verstehen unter anschlussfähiger Kommunikation den Versuch, sich so auszudrücken, dass der andere versteht, was man meint. Das kratzt jedoch noch nicht einmal an der Oberfläche dessen, was mit Anschlussfähigkeit gemeint ist. Im Gegenteil, eine Maßnahme kann anschlussfähig sein, ohne dass Mitarbeiter sie verstehen.

Anschlussfähig zu handeln bedeutet nämlich, die Muster eines Systems (für die eigenen Zwecke) zu nutzen. Das ist wie der Segelflieger, der aufsteigende Luftmassen nutzt, um Höhe zu gewinnen. Oder wie der Surfer, der die Welle reitet, um sich im Meer fortzubewegen. Oder wie wir die Eigenfrequenz einer Schaukel respektieren, wenn wir sie anstoßen, um höher zu schwingen.

Diese Muster sind selten auf den ersten Blick erkennbar. Es gehört Übung dazu, sie “lesen” und nutzen zu können.

Ein Praxisbeispiel: 

In einem unserer Beratungsmandate gab es – wie gewöhnlich – eine Geschäftsführung und darunter eine Abteilungsleiterrunde. Tatsächlich wurden aber alle relevanten Entscheidungen in einem hinter den Kulissen agierenden Verbund der Mitarbeiter der ersten Stunde getroffen. Manche von ihnen hatten überhaupt keine Titel inne, sodass diese de facto Entscheidungsstruktur unsichtbar war.

Anschlussfähig zu handeln bedeutete in diesem Fall, auf dieses Muster einzuzahlen. Man könnte auch sagen, es in Gebrauch zu nehmen. Oder sich auf das Muster “draufzusetzen”, wie mein Kompagnon Lars immer sagt.

Also konkret: Wenn ihr euer Unternehmen erfolgreich verändern wollt …

  • Ist es nicht nötig, eine kritische Masse oder gar jeden einzelnen Mitarbeiter zu überzeugen
  • Verlasst euch also nicht auf Argumente oder schicke Change-Storys
  • Versucht zunächst immer detektivisch zu ergründen, welche leitenden Muster es in eurem Unternehmen gibt und
  • Erarbeitet, wie eure Maßnahme an diesen Mustern andocken kann.
Organisation ändern

Versucht nicht die Mitarbeiter zu ändern, sondern die Organisation

Stellt euch vor, der Gastgeber einer Party – Jens – beobachtet, dass die Party nicht so rund läuft, wie er es erwartet hätte. Unzufrieden erarbeitet Jens eine klare Vision und versucht die Gäste von selbiger zu überzeugen. Die Stimmung sackt aber weiter ab und die Enttäuschung der Gäste wächst.

Jens interpretiert diese Enttäuschung als mangelndes Verständnis für seine “größere Idee” und bittet seine loyalen Weggefährten darum, sich in möglichst viele der kleinen Gesprächsrunden einzubringen und ihnen die Vision besser zu erklären.

»Diese Party folgt einem ausgeklügelten Konzept. Wenn die Gäste erstmal verstehen, worum es hier wirklich geht, dann werden am Ende alle mitziehen«, erinnert Jens.

Doch auch das ändert nichts. Die ersten Gäste hauen ab und die Party wird zunehmend konturloser. Um 22 Uhr bricht Jens die Party frühzeitig ab und wirft die Flinte ins Korn. »Mit anderen Gästen wäre das nicht passiert«, bilanziert er frustriert.

Jens hat einen Fehler gemacht, der in Change-Projekten nicht unüblich ist: Er ging davon aus, dass die Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation die Überzeugung und Transformation der Individuen ist. »Wenn sich Einzelne entwickeln, entwickelt sich auch die Organisation«, ist die verbreitete Überzeugung. Der gedankliche Gegner ist immer der individuelle Widerstand. Deshalb sind die Veränderungsmaßnahmen an das Individuum adressiert.

Ironischerweise verstärkt eben dieser Ansatz die individuellen Widerstände, also das Problem, das er versucht zu lösen.

Andrea geht Partys anders an. Nämlich so, wie die überwiegende Mehrheit eine Party organisieren würde. Sie hat einen Blick für alle Zutaten, die zusammenkommen müssen und schafft es in 9 von 10 Fällen eine gelungene Party zu schmeißen, ohne einen einzigen Gast mit Argumenten überzeugen oder sonst wie „mitnehmen“ zu wollen. Denn Andrea weiß: Eine gute Party braucht nicht erklärt zu werden. Sie erklärt sich von selbst.

Ich höre manche von euch sagen: »Aber Moment mal: Erstens sind Unternehmen keine Partys und zweitens steht und fällt der Erfolg von Change-Projekten doch mit dem Engagement der Mitarbeiter.«

Den ersten Einwand kann ich nicht entkräften. Jede Analogie hat nun mal ihre Grenzen.

Der Zweite hängt von seiner Auslegung ab.

Natürlich sollte der Change-Verantwortliche sich für die Perspektive von Mitarbeitern interessieren. Genauso wie ein Unternehmen die Rückmeldungen von Kunden jedoch nicht wörtlich nimmt, sondern sie als Ausdruck von Marktinformationen versteht, so versucht der geübte Organisationsentwickler Beobachtungen von Mitarbeitern, als Guckloch zu verstehen, mit dem er sich ein Bild von den versteckten informellen Strukturen des Unternehmens machen kann.

Mit anderen Worten: Erfolgreiche Change-Verantwortliche wollen nicht die Mitarbeiter verstehen, sondern mit ihrer Hilfe die Organisation. Sie interpretieren Widerstand als eine Lerngelegenheit für sich selbst und weniger als zu überwindendes Übel anderer. Und entsprechend wollen sie nicht die Mitarbeiter verändern, sondern mit ihrer Hilfe die Organisation.

Denn wenn die Change-Maßnahmen wirksam sind, reduzieren sie sinnlose Beschäftigung. Und das quittieren Mitarbeiter ohnehin mehrheitlich positiv, auch wenn sie den Maßnahmen vorher womöglich skeptisch gegenüberstanden.

Schutzräume

Schafft Schutzräume für Veränderungen

Warum laufen Projekte in Krisensituationen eigentlich so häufig viel besser? Warum schafft ihr dann Dinge in kürzester Zeit, die sonst nicht fertig werden?

Häufig wird gedacht, es läge an dem tollen Zusammenhalt im Team. Oder an der Motivation der einzelnen Teammitglieder.

Doch der wahre Grund ist viel grundsätzlicher. Und die dahinterliegende Erkenntnis birgt großes Potenzial für die Change-Arbeit in Unternehmen.

In dem folgenden Video erläutere ich den Grund für die wundersamen Projekterfolge in der Not.

Genau diesen Grund machen wir uns bei dem 6. von 10 Tipps zunutze.

Schutzraumprojekte sind eine inszenierte Krise. 

Nicht, weil ein “Sense of Urgency” herrscht – also ein Dringlichkeitsgefühl –, wie gerne (z.B. bei J. P. Kotter) propagiert wird. Das hilft natürlich auch, ist jedoch nicht der entscheidende Aspekt.

Auch nicht, weil Schutzräume manchmal eine hohe Aufmerksamkeit im Management erfahren (Management Attention). Das kann sowohl nützen als auch schaden.

Nein, Schutzraumprojekte sind deshalb inszenierte Krisen, weil sie dazu führen, dass die Mitglieder eines Schutzraums unter veränderten Bedingungen handeln.

Was eine Krise zu einer Krise macht, ist das Aushebeln des Alltages. 

In einer Krise sind die Selbstverständlichkeiten und Alltagserwartungen ausgesetzt. Was normal ist, gilt nicht mehr. Damit entfällt das Korsett, in dem ihr euch sonst bewegt.

Schutzräume sind Sonderkulturzonen. So wie Hongkong früher eine stabile Sonderverwaltungszone in China war.

Und so wie ein Hongkong-Chinese früher weitestgehend ignorieren konnte, was in Peking entschieden wurde, so kann ein Schutzraum-Mitglied weitestgehend ignorieren, welche Bedingungen im restlichen Unternehmen bindend sind.

Ihr könnt euch in einem Schutzraum (genauso wie in einer Krise) dem widmen, worum es im Kern geht. Die Gefahr des Selbstzwecks sinkt dramatisch. Der eigentliche Zweck der Arbeit – der Fremdzweck – rückt in den Vordergrund.

Das kanalisiert Ressourcen, bündelt Energie und richtet auf die eigentlich zu lösenden Probleme aus.

So wie in einer Sportmannschaft haben Mitglieder eines Schutzraums alle das gleiche Problem. Deshalb zahlen ihre Handlungen wie von alleine aufeinander ein.

Dass Mitglieder eines Schutzraums motivierter wirken und sich wie eine echte Mannschaft verhalten, ist also Folge und nicht Ursache.

"Schutzraumprojekte sind eines der wirksamsten Werkzeuge im Repertoire der geübten Führungskraft bzw. des Organisationsentwicklers.
Mark Poppenborg
"
Exzellenz

Sucht nach versteckter Exzellenz im eigenen Unternehmen

In vielen Unternehmen herrscht eine geradezu pathologische Suche nach dem “next big thing”.

Das hat einen großen Nachteil. Der Fokus auf das Neue lenkt davon ab, dass in jedem Unternehmen bereits tolle Lösungen stecken. Inseln der Exzellenz.

Bloß sind diese meist versteckt. Besser: Sie müssen sich verstecken. Täten sie das nicht, würde ihnen ihre Grundlage entzogen werden.

Denn diese Inseln der Exzellenz sind deshalb exzellent, weil sie die Steuerung umgehen, nicht weil sie sich an sie halten.

Die Mitarbeiter in diesen informellen Teams arbeiten an den offiziellen Regeln und Prozessen vorbei. Sie wissen: Wenn wir uns an die Steuerung halten, kriegen wir die Arbeit nicht erledigt. Zumindest nicht in der Qualität und Zeit, die es braucht.

Was hat das mit Transformation und Unternehmensentwicklung zu tun?

Es gibt gleich 3 Dinge, die ihr tun könnt:

  1. Finden
    Zunächst gilt es natürlich, diese Inseln der Exzellenz zu finden. Das ist nicht einfach, schließlich agieren sie ja auf der Hinterbühne.

    Ein guter Weg: Sucht überall dort, wo die Dynamik in der Wertschöpfung hoch ist und gleichzeitig viel gesteuert wird. Diese Zutaten fördern brauchbare Illegalität.

    Was ebenfalls funktioniert: Vertrauensvoll auf Mitarbeiter zugehen und die Hypothese äußern, dass es “hier” doch bestimmt noch eine andere “Wahrheit” gibt.

  2. Beschützen
    Da Inseln der Exzellenz unter dem Radar arbeiten, sind sie empfindlich. Sie können nicht beschützt werden. Eine Mitarbeiterversetzung kann bereits der Grund dafür sein, dass das informelle Team kollabiert bzw. an Wirkung einbüßt.

    Indem ihr den eigentlichen Grund für ihre Höchstleistung erklärt und deutlich macht, dass sie kein Makel, sondern eine Stärke sind, steigt die Chance, dass eine mächtige Führungskraft sie beschützt.

  3. Anstecken
    Wenn die Insel erstmal beschützt ist, kann sie als Inspiration für Nachahmer dienen. Denn wenn Mitarbeiter sehen, dass es kein Tabu sein muss, Arbeit passend zu ihren Anforderungen zu organisieren und nicht passend zur internen Steuerung, dann provoziert das Ideen.

    Internes Marketing und Hochglanzfolien schaden dabei eher. Ermöglicht einfach den unkomplizierten Einblick und berichtet davon in Reflexionsrunden.

    Achtung: Manchmal ist es besser, die Inseln versteckt zu halten. Nämlich immer dann, wenn keine Zuversicht besteht, dass sie beschützt werden können.
Irrtum

Seid ergebnisoffen und akzeptiert den Irrtum als nötige Zutat

Fortschritt ist ohne Irrtum nicht zu haben. Das gilt ganz grundsätzlich im Leben. Und es gilt insbesondere auch bei der Transformationsarbeit in Unternehmen.

Klar, die neue Montagelinie kann natürlich zuverlässig geplant werden. Und auch beim Büroumbau werden keine ernsthaften Überraschungen auftreten. Kontrollierbare Umgebungen können planerisch entwickelt werden.

Doch wenn es um echte Transformationsarbeit geht, geht es immer auch um die Unternehmenskultur und die Marktreaktionen. Und diese verhalten sich unvorhersehbar. Ihr könnt nicht wissen, wie sie reagieren werden, wenn ihr Veränderungen vornehmt.

Das mag wie eine Binse klingen, aber mal Hand aufs Herz: War euer letztes Change-Projekt wirklich ergebnisoffen? 

Mit ergebnisoffen meine ich nicht beliebig. Natürlich sollte jede Veränderung einer informierten Hypothese folgen. Zudem kann Theorie uns dabei helfen, viele Sackgassen vorab als solche zu erkennen.

Doch am Ende treffen wir bei Change-Vorhaben immer Entscheidungen unter Ungewissheit (sonst wären ja auch keine nötig). Wir handeln also auf Basis von Annahmen, von denen sich manche als Irrtum herausstellen werden.

Naive Organisationsentwicklung versucht durch Hochglanz-Fassaden über diese Ungewissheit hinwegzutäuschen. Die Folge ist Change-Theater.

Professionelle Organisationsentwicklung versucht durch Neugier und Humor den unvermeidlichen Irrtum nicht zu persönlich zu nehmen. Die Folge ist schneller Fortschritt und echtes Interesse der Beteiligten.

Berater und Führungskräfte haben häufig den Anspruch, alles wissen zu wollen. Dieser Anspruch haftet regelrecht an der Rolle. Ich hatte ihn auch lange. Und auch heute ereilt mich dieser Anspruch noch.

Dann erinnere ich mich jedoch meist recht zügig, dass ich damit eine unnötige Barriere zwischen meinem Gesprächspartner und mir aufbaue. Die Anmaßung von Wissen provoziert nämlich zwei mögliche Reaktionen: Entweder mein Gegenüber degradiert sich zum Schüler oder er fühlt sich zum Wettkampf eingeladen und will es selbst besser wissen. 

Keine der beiden Konstellationen hilft uns, gemeinsam mehr über das zu lösende Problem zu lernen. Dabei läge gerade darin das größte Potenzial.

Wenn wir uns gegenseitig nicht als Gefahr für unser Ego wahrnehmen, sondern als Partner in einer Erkundungsreise, dann steigen die Chancen dramatisch, dass wir Irrtümern in der Transformationsarbeit rechtzeitig begegnen.

Denn dann müssen wir Rückschläge nicht als Erfolg verkaufen oder sie unter den Teppich kehren. Wir brauchen auch keine Angst haben, nachbessern zu müssen. Und wir sind bereit zu handeln, lange bevor wir ein Gefühl von Sicherheit verspüren, das eh nie einsetzen wird.

Das alles beschleunigt den Wandel und das gemeinsame Lernen dramatisch.

Unser Prinzip lautet deshalb: “Sicher im Prozess, neugierig im Ausgang.”

Geschäftsleitung

Nehmt die Transformation als Geschäftsleitung selbst in die Hand

Neulich hörte ich jemanden sagen: “Vom Geschäft verstehe ich nicht so viel, ich bin Organisationsentwickler.” Was ist das für eine Bankrotterklärung?

Wie kann die Organisationsentwicklung sich selbst so ins Abseits stellen?

Und wie soll ein Organisationsentwickler mit so einer Einstellung ernst genommen werden?

Das ist so, als prahlte jemand: “Von Geschmäckern verstehe ich nicht so viel, ich bin Koch.”

Andersherum ist es aber auch nicht besser: “Von Organisationsentwicklung verstehe ich nicht so viel, ich bin Geschäftsführer. Dafür habe ich ja meine OE-Abteilung”.

Die simple Wahrheit ist: Beides – Business und Organisation – ist untrennbar miteinander verbunden.

Denn es gibt drei sehr triviale Feststellungen:

  1. Ein Unternehmen überlebt, wenn es mindestens so viel Geld einnimmt, wie es ausgibt. 
  2. Ein Unternehmen muss (dazu) Probleme seines Marktes lösen.
  3. Ein Unternehmen ist eine Organisation.


Organisationen sorgen demnach für die Lösung der Marktprobleme und damit für ihr Überleben und ihren wirtschaftlichen Erfolg.

Wenn ihr eine Organisation entwickelt, entwickelt ihr zwangsläufig auch das Business. Sie sind ein und dasselbe.

Deshalb sollte es zur Selbstverständlichkeit einer jeden Geschäftsleitung gehören, etwas von Organisationsentwicklung zu verstehen. Und es sollte zur Selbstverständlichkeit eines jeden Organisationsentwicklers gehören, etwas von dem Business zu verstehen.

Besser noch: Die Rollen gehören eigentlich verschmolzen.

Kein Wunder, dass mit den viel zitierten Beispielen moderner Unternehmensführung immer die Person an der Spitze des Unternehmens verbunden wird – egal ob bei dm (Werner), Handelsbanken (Wallander), Semco (Semler), Buurtzorg (de Blok) etc.

Und deshalb arbeiten wir in unserer Beratungsarbeit auch nahezu immer mit der Geschäftsleitung zusammen.

Organisationsentwicklung ist Top-Management Aufgabe. Es ist eure Aufgabe als Geschäftsleitung.

Daueraufgabe

Versteht Transformationsarbeit nicht als Projekt, sondern als Daueraufgabe

Bei meiner sportlichen Passion, dem Brasilianischen Jiu-Jitsu, schleichen sich mit der Zeit Muster ein. Jeder hat sein „Game“, wie es bei uns genannt wird. Ich „spiele“ aktuell zum Beispiel viel mit der „Closed Guard“ Position, um von da aus zu attackieren.

Mit der Zeit gewöhnen sich die anderen Mitglieder in meinem Dojo (der Ort, in dem man diesen Sport praktiziert) natürlich an mein Spiel. Das macht mich für sie vorhersehbarer, was meine Attacken erschwert.

Deshalb bin ich gut beraten, „im laufenden Betrieb“ mit neuen Mustern zu spielen und die alten zu ergänzen oder zu ersetzen.

Diese Anpassung meiner Muster an die sich verändernden Verhaltensweisen meiner Gegner ist sehr vergleichbar mit der Notwendigkeit von Unternehmen, auf die sich ändernden Bedingungen am Markt reagieren zu müssen.

Je dichter der Markt, desto stärker sind die Spieler im Markt zur Innovation verdammt, um die Gunst der Kunden zu erringen.

Nur in stillen Märkten können recht langfristige Stabilitätszustände erreicht werden.

Wo Veränderung im Markt zum Dauerzustand wird, wird Transformationsarbeit zur Daueraufgabe.

Und wie beim Jiu-Jitsu kann der Betrieb nicht angehalten und planhaft in einen neuen Betriebsmodus überführt werden. Wer so denkt, landet in der Reißbrett-Falle.

Transformationsarbeit ist vom Alltag nicht zu lösen. Transformation ist immer Veränderung im laufenden Betrieb.

Natürlich gibt es Einzelinitiativen, die eingeleitet werden; Experimente, die zeitlich auslaufen; strukturelle Maßnahmen, die umgesetzt werden – doch diese Vorstöße sind alle eingebunden in einen grundsätzlichen Auftrag an Führung.

Führung hat den Auftrag, Unruhe zu stiften. Die Kunst ist, dabei das richtige Maß zu finden.

intrinsify News
Gute Ideen für wirksame und bullshitfreie Arbeit

Starte in die intrinsify Welt, indem Du Dich zu unseren News anmeldest. Jeden Donnerstag gibt es nützliche Impulse zu moderner Unternehmensführung und Organisationsentwicklung.

100% praxisnah bullshitfrei vernünftig
freisteller lars mark elli phillipp

GUTE IDEEN...

für wirksame und bullshitfreie Arbeit
Starte in die intrinsify Welt. Jeden Donnerstag nützliche Impulse zu moderner Unternehmensführung & Organisationsentwicklung.

Rubriken

Unternehmen

Die intrinsify Ausbildung
Die intrinsify Ausbildung