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Unternehmen, die vor Erfolg strotzen, deren Kultur zu beneiden ist, denen Bewerber die Türen einrennen und die ihre Wettbewerber zur Verzweiflung bringen, solche Unternehmen nennen wir Höchstleistungsunternehmen.

Natürlich sind solche Unternehmen ein beliebtes Vorbild. Deshalb sprechen ihre Vertreter auf Konferenzen, es werden Bücher über sie geschrieben und manche entwickeln sich zu regelrechten Kultstätten, die von Management-Delegationen heimgesucht werden.

Doch was kannst Du eigentlich von diesen Unternehmen lernen? Und was gerade nicht?

Ob Island oder Schottland, Hauptsache Glöckchen

Eiderenten sind schwerfällige Geschöpfe und wirken geradezu wie ein Pinguin-Verschnitt. Ihre Daunenfedern sind aufgrund ihrer hohen Wärmespeicherkapazität ein beliebtes Füllmaterial, zum Beispiel für Bettdecken.

Island war lange Zeit der größte Exporteur von Eiderdaunen. Noch heute ist die Insel Vigur als „Hauptquartier“ der Eiderenten eine Touristenattraktion.

Im Jahre 1967 begann der schottische Hobby-Naturforscher, Gavin Maxwell, eigentlich für seine Arbeit mit Fischottern bekannt, seine eigene Insel in Schottland zum neuen Eiderentenparadies umzubauen. Denn Gavin hatte sich auf einer Forschungsreise nach Island in die, seiner Überzeugung nach, utopische Symbiose verliebt, die zwischen der Bevölkerung und der Eiderente bestand.

Während die Bauern die Eiderenten vor natürlichen Feinden beschützten, bescherten die Eiderenten den Bauern eine satte Daunenernte, ohne dabei leiden zu müssen. Die Daunen wurden nicht mal gerupft, sondern erst geerntet, nachdem sie ihre Funktion als Nestwärmer erfüllt hatten. „Besser geht’s nicht“, dachte sich Gavin. „So mache ich das auch.“ Und 30 Eiderenten hatte er auf seiner Insel eh schon – ist doch ein guter Start.

Mit der Genehmigung des National Trust of Scotland setzte Gavin die Insel in Brand, um alle Dornen und Ranken zu entfernen, die für die Enten ein Bewegungshindernis dargestellt hätten. Er hob außerdem Regenwasserreservoire aus und spannte bunte Wimpelketten, Glöckchen sowie kleine Windräder auf, die wohl eine magnetische Wirkung auf die Enten hätten. Auch richtete er Objekte ein, um Seemöwen abzuschrecken. Und dann, ja dann wartete Gavin auf die Eiderentenankunft.

Du ahnst es schon: Sie blieb aus.

Obwohl er quasi eine isländische Siedlung nachgebaut hatte, wollten die Enten einfach nicht eintreffen.

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Verkausalisiert

Ob Cargo-Kult oder Eiderenten-Irrtum, es fehlt uns nicht an Beispielen, um die Absurdität des Best-Practice-Denkens zu demonstrieren. Und dennoch: Immer wieder verkausalisieren wir uns.

Mit Verkausalisierung bezeichne ich die Unterstellung von Ursache-Wirkmechanismen, wo es diese gar nicht gibt. So wie Gavin davon ausging, alle Bedingungen reproduzieren zu können, die er in Island vorfand, um dann ebenfalls vom Entenparadies beglückt werden zu können.

Die Überzeugung lautet: „Wenn ich die Island-Bedingungen kopiere, dann lassen sich die Eiderenten hier auch nieder.“ Oder analog: „Wenn wir uns so organisieren wie das Unternehmen XYZ, dann werden wir auch so erfolgreich.“

Doch was wir als Beobachter dabei verkennen: Eine Organisation ist immer mehr, als Du sehen kannst.

Organisationen sind Organismen. Sie entziehen sich deshalb der objektiven Beschreibbarkeit. Sie stellen sich uns nie vollständig dar. Sie enthalten uns, und sich selbst übrigens auch, immer einen Teil vor, auf den sie für ihren eigenen Fortbestand jedoch angewiesen sind.

Ganz so wie unser Körper. Wir vergleichen ihn zwar gerne mit einer Maschine, er ist aber keine. Er überrascht sich selbst und andere – gerade das unterscheidet ihn vom Automaten.

Deshalb ist nicht nur die Kopie der sichtbaren Fassade eine Sackgasse, sondern auch die Vorstellung, die Fassade sei der Grund für den Erfolg.

Ist der Besuch von Vorbildunternehmen also reine Zeitverschwendung?

Dreifache Ehrenrettung

Nein, er lohnt sich trotzdem. Doch der Beobachtungsfokus muss sich ändern. Dann kann das Studium von Höchstleistern drei nützliche Folgen haben:

1. Gedankliche Provokation

Wenn Deine Kollegin ihr ganzes Leben davon überzeugt war, dass Mitarbeiter nur motiviert sind, wenn sie beurteilt und belohnt werden, führt der Besuch bei einem Höchstleister zur kognitiven Dissonanz – das heißt zu einer Begegnung sich nicht miteinander zu vereinbarenden mentalen Ereignissen.

Das eine mentale Ereignis ergibt sich aus der bisherigen Überzeugung: Anreizung führt zur Motivation. Das andere mentale Ereignis ergibt sich aus der Beobachtung: Hier sind Mitarbeiter motiviert, ohne angereizt zu werden.

Auf eine kognitive Dissonanz gibt es zwei Reaktionsmöglichkeiten. Entweder verdrängt Deine Kollegin die Beobachtung im verzweifelten Versuch, ihre Überzeugungen zu schützen. Oder sie lernt etwas.

Mit anderen Worten: Wenn wir Lösungen kennenlernen, die funktionieren, obwohl sie mit unseren Überzeugungen unvereinbar sind, kann uns das konstruktiv irritieren.

2. Prinzipien statt Lösungen

Konkrete Lösungen könnt und solltet ihr nicht kopieren. Wenn Du jedoch mehrere solcher Unternehmen kennenlernst, stellst Du auf der abstrakten Ebene Gemeinsamkeiten fest.

Diese Gemeinsamkeiten lassen sich zu Prinzipien verbinden, die beim Denken helfen. So lassen Höchstleister beispielsweise den Markt tief ins Unternehmen dringen und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, echte Probleme eben dieses Marktes adressieren und lösen zu können. Auch verstehen sie Leistung als emergentes Phänomen, nicht als Summe von Einzelleistungen.

Neben diesen beiden, glauben wir insgesamt sieben Prinzipien identifiziert zu haben, die Dir, in anderen Publikationen von uns, bereits als „unsere“ Future Leadership Prinzipien begegnet sein dürften.

Worum es mir geht: Nicht was sie machen, sondern wie Höchstleister denken ist interessant. Denn es ebnet Euch den Weg, auf eigene Ideen zu kommen.

Noch wichtiger: Es erlaubt Euch, die bereits vorhandenen Lösungen Eures eigenen Unternehmens zu entdecken, die sich im Organisationsdickicht als Ausdruck eben dieser Prinzipien verbergen.

Ein konkretes Beispiel: Mit dem Prinzip der Marktorientierung (siehe oben) im Hinterkopf, kannst Du regel verletzendes Mitarbeiterverhalten als intelligente Lösung interpretieren, anstatt es als störenden Regelbruch zu pa­tho­lo­gi­sie­ren.

Wenn ein Mitarbeiter also das nächste Mal am Prozess vorbeiarbeitet, fragt Euch: „Wie dient das dem Markt?“ ,nicht „Wie reparieren wir den Mitarbeiter?“

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3. Kopie der Norm

Es gibt Ausnahmen zum zweiten Punkt. Ausnahmen, für die das Best-Practice Denken nach wie vor taugt. Nämlich für die Teile der Wertschöpfung, die sich durch ihren überraschungsfreien Routinecharakter auszeichnen. Also überall dort, wo sich keine Dynamik einmischt. Da, wo die Umwelt des Unternehmens ignoriert werden kann.

Hier schrumpft die Lebendigkeit der Organisation auf ein ignorierbares Maß zusammen. Es braucht keine Ideen, sondern nur Wissen, um den Alltag zu bewältigen. Und deshalb kann dieses Wissen sowohl konserviert als auch kopiert werden.

Einen effizienten Vorgang zur Versorgung mit stetem Materialbedarf sollte ich von den Besten kopieren. Die wirtschaftlichste Art Rechnungsbelege zu archivieren ebenfalls.

Es gibt sie, die Best-Practice Lösungen. Doch sie beschränken sich auf den „toten“ Teil des Unternehmens. „Tot“ deshalb, weil es dort gerade keine Lebendigkeit braucht. Im Gegenteil, Lebendigkeit würde die gut geölten Prozesse nur stören.

Die Schlitten hätte Gavin den Isländern also nachbauen können, nur das Eiderentenparadies eben nicht.

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