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Selbstorganisation

Die Rote Falle

Wie du von der anderen Seite vom Pferd fällst
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Wer nicht bei 3 auf dem Baum ist, muss sich selbst organisieren

Am 16. Oktober 2020 habe ich in einem Vortrag gebeichtet und meinen Frieden mit Frederick W. Taylor gefunden. Ich hatte ihn stets verteufelt, lange missverstanden und nie gewürdigt.

Ich sprach auf unserem Future Leadership Alumni Forum nämlich im Detail über die wahren Absichten und konkreten Ansätze Taylors, der ja bekanntlich als Urvater des Taylorismus gilt. Welche Bedeutung diese Lehren auch heute noch haben, darum geht es in diesem Artikel.

Die Blaue Falle ist eine Bezeichnung einer meiner Mentoren, Gerhard Wohland. Er beschreibt mit der Blauen Falle den Versuch, komplexe Probleme (rot) mit Steuerung (blau) zu lösen.

Steuerung ist die zur Nutzung verpflichtende Bereitstellung von Wissen. Komplexe Probleme lassen sich durch Wissen alleine jedoch nicht lösen. Deshalb bleibt trotz viel Steuerungsaufwand das Problem ungelöst.

Das klingt abstrakt. Ist es auch. Deshalb ein Beispiel: Ein Lenkungskreis beschließt einen Projektplan mit inhaltlich spezifizierten wie zeitlich terminierten Meilensteinen und konkreten Erwartungen an das Ergebnis inklusive kennzahlenbasiertem Projektcontrolling. Die (implizite) Unterstellung: Es gäbe Wissen über die Zukunft eines Projektes.

Für neue Projekte gibt es zwar auch Wissen, doch das reicht nicht. Um erfolgreich zu sein, müssen Projekte ständig mit neuen Ideen versorgt werden und ihren Verlauf flexibel anpassen können. Denn ein großer Teil ihrer Zukunft ist nicht bekannt.

Im Korsett des Projektplans bleibt dem Projektteam deshalb nichts anderes übrig, als dem Lenkungskreis Projektmanagement vorzuspielen während es heimlich am Projektplan vorbei arbeitet. Das gelingt selten und dann nur höchst unwirtschaftlich. Wie es doch gelingt, ist heute nicht das Thema.

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Die Rote Falle

Die Rote Falle ist eine Anspielung auf „Gerhards Blaue Falle„. Sie ist der umgekehrte Fall und beschreibt das Lösen bekannter Probleme (blau) mit Ideen (rot).

Wenn ein Problem bekannt ist und schon einmal gelöst wurde, dann hätte man das dabei entstandene Wissen konservieren können. Tut man das nicht oder nutzt man das existierende Wissen nicht, dann betreibt man Verschwendung. Denn jetzt braucht es erneut Ideen für ein bereits gelöstes Problem.

Auch abstrakt! Also wieder ein Beispiel: Die Idee für ein Rad braucht man nur dann ein zweites Mal, wenn man sie sich beim ersten Mal nicht gemerkt hat. Sonst muss man es sprichwörtlich „neu erfinden“, das gute Rad.

Vielleicht lieber eins aus der Wirtschaft: Wir führen seit vielen Jahren Ausbildungsgänge durch. Bei diesen Veranstaltungen wiederholen sich viele Probleme: Es braucht Räume mit spezifischen Anforderungen, Moderationsmaterial, Catering, Merchandising-Artikel usw.

Damit wir nicht jedes Mal auf Ideen kommen müssen, wie diese Probleme gelöst werden, konservieren wir die Lösung in Form von Checklisten. So vermeiden wir Verschwendung und heben uns die kreativen Kapazitäten für die Lösung neuer Probleme auf. Wir tappen (bei diesem Beispiel) nicht in die Rote Falle.

Soweit so gut.

Die Blaue Falle gewinnt je nach Branche bereits seit den 70ern an Bedeutung. Mit der zunehmenden Sättigung der Märkte stieg die Dynamik und damit der Anteil der Überraschungen.

Sicherlich ist auch deshalb Agilität heute das Managementthema Nr. 1. Steuerung ist out, Selbstorganisation ist in – schon alleine dieser Zeitgeist führt dazu, dass einem Steuerung heute unangenehm altbacken erscheint.

Und genau hier entsteht das Problem: Wenn der Unterschied zwischen Routine- und Kreativarbeit nicht mitgedacht wird, fällt man schnell auf der anderen Seite vom Pferd.

Nachdem ich diesen Unterschied kürzlich mal wieder erklärte, fragte mich eine Logistikleiterin sichtbar erleichtert: »Sagen Sie, heißt das, ich muss in meinem Bereich gar nicht auf Steuerung verzichten und auf agile Teams umstellen?«

Ich durfte „ihren“ Logistikbereich ein wenig kennenlernen und dabei feststellen, dass es zwar gelegentlich auch mal eine Idee brauchte, im Kern jedoch Hunderte von bekannten Problemen gelöst werden mussten. Und zwar zuverlässig, effizient und günstig.

Seit einigen Wochen hatte sich die Logistikleiterin (Lagerlogistik) zunehmend schlecht für die vielen Prozesse, Checklisten und Arbeitsplatzstandardisierungen gefühlt, die sie über die Jahre etabliert hatte. Denn auf der letzten Führungskräfte-Tagung hatte sich das Top-Management selbstbewusst für eine neue Ära der Führung ausgesprochen. Zugunsten agiler Prinzipien solle zukünftig auf Anweisung und Kontrolle verzichten werden.

Auch sollten alle Mitarbeiter eine agile Schulung durchlaufen. Das Vorbereiten auf Veränderungen solle der Befolgung eines Plans zukünftig vorgezogen werden, hieß es dort unter anderem. Das klang zwar irgendwie progressiv, hinterließ bei der Logistikleiterin und ihren Mitarbeitern jedoch große Fragezeichen.

Interessiert an möglichst reibungslosen Lagerprozessen, konnten sie sich wenig dafür erwärmen, zukünftig „agil“ zusammenzuarbeiten. In erster Linie wollten sie eine Prozesssicherheit gewährleisten und die Effizienz maximieren.

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Taylors Ideen sind alt aber zeitlos

So wie wir unsere intrinsify Future Leadership Prinzipien haben, hatte Taylor seine Prinzipien für die wissenschaftliche Betriebsführung. Hier eine etwas sperrig klingende Übersetzung aus dem Original:

  1. Wissenschaftliche Analyse von Bewegungsabläufen und genaue Identifikation und Beschreibung des einen besten Weges.
  2. Gewissenhafte Auswahl und konsequente Ausbildung der Mitarbeiter auf die Standards und Versetzung/Kündigung aller Mitarbeiter, die sich diesen Standards entziehen oder nicht dazu in der Lage sind, sie zu befolgen.
  3. Die Zusammenführung des ausgebildeten Mitarbeiters und der erarbeiteten Standards durch das Management und die konsequente Belohnung und Sanktion für die Einhaltung respektive Missachtung dieser Standards.
  4. Ein Seite-an-Seite Arbeiten zwischen den Mitarbeitern und dem Management sowie eine Gleichverteilung ihrer Arbeit und Verantwortung. Durchgehende Unterstützung und Kontrolle durch das Management, um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten.

Liest man diese Prinzipien ohne den Kontext, in dem sie entstanden, kann man schnell übersehen, dass Taylor damit den Mitarbeitern, den Unternehmen und der Gesellschaft einen großen Dienst erwies.

Den Mitarbeitern, weil sie

  • zwischen 80 und 100% Gehaltserhöhungen erhielten,
  • mehr Pausen hatten,
  • in Summe kürzer arbeiteten,
  • mehr Urlaub genossen,
  • von ihrem Management nicht mehr alleine gelassen wurden und
  • eine freundschaftliche Beziehung untereinander entwickelten.

Den Unternehmen, weil

  • der ewige Antagonismus zwischen Mitarbeitern und Management ein Ende fand,
  • sie ihre Ressourcen deutlich effizienter einsetzten und
  • so gigantische Produktivitätssprünge und Gewinnzuwächse genossen.

Der Gesellschaft, weil

  • Menschen sich Waren leisten konnten, die vorher nur den Reichen vorbehalten waren,
  • den Menschen mehr Zeit für die Freizeit und ihre Selbstverwirklichung blieb und
  • der allgemeine Wohlstand dramatisch anstieg.

Kaum ein Mitarbeiter, Unternehmer oder Bürger hätte die Verhältnisse vor mit denen nach Taylor tauschen wollen.

Taylors Ideen sind nicht vollständig deckungsgleich mit denen des Taylorismus, doch der Kern überlebte und beschert uns noch heute die Fähigkeit, Routineprozesse zuverlässig steuern zu können.

Täten wir das nicht, würden die Unternehmen mehr Verschwendung betreiben, müssten deshalb geringere Löhne zahlen, würden die Gesellschaft mit teureren sowie weniger vielfältigen Produkten versorgen und wären weniger innovativ.

Seit über 10 Jahren setze ich mich für neue Ansätze der Führung und Organisationsentwicklung ein. Dabei habe ich erst viel zu spät angefangen zu betonen, dass es um eine Ergänzung des Taylorismus geht, nicht um seine Abschaffung.

Früher hatte der Taylorismus absolute Berechtigung, heute nur noch selektive.

In jedem Fall stellt die undifferenzierte Begeisterung für „das Neue“ eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit und das Wohlergehen von Mitarbeitern, Unternehmen und Gesellschaft dar.

Hier sind ein paar Indizien, die darauf hinweisen, dass es sich um einen steuerungsfähigen Teil der Arbeit handelt und die den Erregungszuständen in Unternehmen entsprechend Einhalt bieten könnten:

  1. Ist es nachrangig, wer diesen Vorgang ausführt? Kommt es also nur auf fachliche Qualifikation, nicht jedoch auf besonderes Talent an?
  2. Kann eine kennzahlenbasierte Messung des Vorgangs selbigen vollständig und objektiv abbilden?
  3. Verwenden Mitarbeiter bei der Beschreibung dieses Vorgehens selten bis nie das Wort „eigentlich“. „Eigentlich“ wird meist verwendet, wenn man berücksichtigen will, dass es ständig Ausnahmen zur Norm gibt.
  4. Ließe sich dieser Vorgang automatisieren – eine finanzierbare Technologie vorausgesetzt?
  5. Banal aber hilfreich: Fühlt sich Steuerung für die Mitarbeiter nützlich an oder versuchen sie, ihr auszuweichen?

Die zeitgeist-geschwängerte Neigung, Steuerung zugunsten von Selbstorganisation abschaffen zu wollen ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Eine differenzierende Aufklärung ist das Gegenmittel. Verteile diesen Artikel und seinen Inhalt nach Belieben. Klaue meine Formulierungen gerne ohne schlechtes Gewissen.

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Vielen Dank, Mark!
Denn genau das sind (unter anderem) die Gründe, warum die beiden Welten wunderbar im Einklang funktionieren können, also zum Beispiel ein gut funktionerendes QM-System auf Basis beschriebener Prozesse und gleichzeitig die Herausforderungen, die komplexe Projekte jeden Tag so mit sich bringen. Wenn mich zukünftig mal wieder jemand fragt, wie sowas zusammengeht, verweise ich einfach auf den Artikel 🙂
Grüße,
Svne

Danke Sven:)

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