Unterscheidungen

Führung im Sandwich

Befreiter führen durch den Unterschied zwischen Verantwortung vs. Verantwortlichkeit
Führungskraft werden
Mark Poppenborg
Warum viele Mitarbeiter keine Führungskraft mehr werden wollen
Volkskrankheit Silodenken
Lars Vollmer
Silodenken – eine Volkskrankheit in Unternehmen
Silodenken
Lars Vollmer
Wenn doch das nervige Silodenken nicht wär’
Hausbau Statik
Elisabeth Neuhaus
„Willst Du ein Haus bauen, beschäftige Dich mit Statik“
Meeting-Wahnsinn: Wieso die üblichen Tipps nichts bringen
Mark Poppenborg
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Als Führungskraft kennst Du das Problem: Du willst, dass Deine Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig landen die Entscheidungen immer wieder auf Deinem Tisch. Oder umgekehrt: Deine Mitarbeiter treffen ständig Entscheidungen, doch Du wirst von Deinem Management für die Ergebnisse verantwortlich gemacht. Du musst Dich deshalb sicherheitshalber einmischen, fühlst Dich aber schlecht dafür.

Viele Führungskräfte fühlen sich ‘gesandwicht’ … zwischen dem Druck von oben und dem Zug von unten.

Wie so oft hilft eine Unterscheidung und ihr geschickter Einsatz. Wie das geht, will ich Dir in diesem Beitrag erklären.

Verantwortung: Mit 72 Kilo ’nen Dicken machen

Ich trainiere 4 bis 5 Mal die Woche brasilianisches Jiu Jitsu. Das hat insbesondere meine Fitness verbessert und meinen Verstand geschärft. Es hat aber noch eine weitere interessante Auswirkung.

Wann immer ich Auseinandersetzungen beobachte, spüre ich in mir ein Gefühl von Verantwortung, den Streit schlichten und notfalls körperlich eingreifen zu wollen.

Ganz ehrlich: Ich glaube, ich mache mir da was vor. Ich wiege 72 Kilo und mache gerade mal seit drei Jahren Kampfsport. Käme es zum Äußersten, würde ich vermutlich den Kürzeren ziehen und mit einem blauen Auge und gebrochenen Rippen davonziehen.

Und dennoch: Das Gefühl ist da. Dieses Gefühl von Verantwortung und der damit verbundenen Selbstsicherheit. Und vielleicht reicht das auch schon. Vielleicht konnte ich alleine schon deshalb die eine oder andere Situation deeskalieren.

Dabei erwartet das niemand von mir. Mich würde wohl niemand zur Rechenschaft ziehen, wenn ich unbeirrt weiterginge oder tatenlos zusähe, während sich, so wie kürzlich, in einer belebten Fußgängerzone eine Auseinandersetzung entfaltete.

Ich übernehme Verantwortung, verantwortlich bin ich jedoch nicht. Wie passt das zusammen?

Verantwortung vs. Verantwortlichkeit

Entscheiden heißt, Risiken einzugehen. Denn entscheiden muss ich nur, wenn ich unter Unsicherheit handele. Wäre die Informationslage vollständig und objektiv, müsste ich mich nicht entscheiden.

Um also trotz mangelnder Informationen entscheiden zu wollen, ist ein Gefühl erforderlich. Die Verwendung dieses Gefühls zum Treffen von Entscheidungen kann als Verantwortung bezeichnet werden. Es ist also sozusagen der funktionale Ersatz für Informationen. Es kompensiert Informationsmangel. Je mehr Informationen vorliegen, desto weniger Verantwortung muss ich übernehmen, während ich entscheide. Und vice versa.

So definiert Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie den Begriff der Verantwortung. Und er grenzt ihn damit ab von dem Begriff der Verantwortlichkeit.

Verantwortlichkeit entsteht durch eine soziale Zuschreibung. Entweder formal, z. B. durch Ämter, Verträge o. ä. oder informell durch Verhaltenserwartungen, die sich aus Werten und Gewohnheiten nähren. “So was macht man nicht! Ich hätte von Dir erwartet, dass Du …”

Verantwortlichkeit bedeutet, dass ich mit Erwartungen konfrontiert werde, die ich befriedigen oder enttäuschen kann. Es bedeutet, ‘Rede und Antwort’ stehen zu müssen. Sich rechtfertigen zu müssen. Sich erklären zu müssen, weil jemand einen für verantwortlich hält.

Das Urteil über die Achtung oder Verletzung der zugeschriebenen Verantwortlichkeit bestimmt die zu erwartenden Folgen, wie zum Beispiel Abmahnung, Bußgeld, Beförderung, Anerkennung, Ächtung etc.

Oder noch einfacher: Wenn andere davon ausgehen, jemand habe zu handeln, dann halten sie ihn für verantwortlich. Und sein Handeln wird anschließend beurteilt und er trägt die Folgen.

Der entscheidende Unterschied: Verantwortlichkeit erzeugt der soziale Kontext, während Verantwortung ein Gefühl verwendet, das sich bei einem Menschen einstellen kann. Verantwortung kann deshalb nicht hergestellt werden. Niemand kann auf Kommando Verantwortungsgefühle empfinden.

Wie hilft Dir diese Unterscheidung nun in der Praxis?

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

In Organisationen überlagern sich Verantwortung und Verantwortlichkeit regelmäßig unterschiedlich stark. Deshalb ist die Entstehung von Widersprüchen quasi unvermeidlich. Als Führungskraft ist es wichtig, dies zu verstehen. So kann mit den üblichen Symptomen wie zum Beispiel Paralyse, Enttäuschung oder Entscheidungsstau produktiver umgegangen werden.

Als Führungskraft hilft es Dir, wenn Du zunächst die Situation präzise beschreiben kannst. Daraufhin kann der Zustand von Dir besprechbar gemacht werden. Und dadurch, dass er besprechbar ist, kann bereits anders gehandelt werden. Manchmal sind dazu auch strukturelle Eingriffe nötig.

Die zwei folgenden Situationen sind besonders prototypisch:

Jemand ist nicht verantwortlich, übernimmt aber Verantwortung

Beispiel:

Ein Kunde äußert seinen Unmut über eine Dienstleistung. Obwohl es nicht in seinem direkten Aufgabenbereich liegt, spürt einer Deiner Mitarbeiter, dass hier etwas gemacht werden muss.

Es entsteht also ein Verantwortungsgefühl und er entscheidet im Interesse der Wertschöpfung und des Kunden, ohne Dich vorher zu fragen. Zum Beispiel, weil er Sorge hatte, Deine Antwort könnte zu spät kommen. Oder weil er ahnt, dass Deine Antwort auch dann nicht ignoriert werden kann, wenn sie nutzlos ist.

Wenn er dabei innerhalb der Grenzen Deiner Erwartungen handelt, wirst Du keinen Anlass haben, einzugreifen. Verletzt er jedoch Deine Erwartungen, befindet ihr euch zusammen in einer widersprüchlichen Situation: Einerseits wünschst Du Dir die Übernahme von Verantwortung, andererseits wirst Du allzu große Grenzüberschreitungen verhindern wollen. Schließlich wirst Du dafür von Deinen Chefs verantwortlich gemacht.

Beispielhafte Reaktion:

Da Deine Mitarbeiter den Problemen näher sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie operativ bessere Entscheidungen treffen als Du. Dass sie diese Entscheidungen bereits treffen, ist ein Zeichen einer gesunden Arbeitsteilung. Deine formale Macht ist operativ neutralisiert.

Würdest Du Rücksprache einfordern oder Regeln vorgeben, kollabiert diese sensible Kopplung womöglich. Damit auch in Deiner Abwesenheit und ohne Regeln entschieden werden kann, kannst Du Prinzipien formulieren. Diese dürfen weder alternativlos noch objektiv sein – dann sind es keine.

Mit anderen Worten: Sie entfalten nur ihre Wirkung, wenn sie eine Alternative zu ebenfalls denkbaren Prinzipien darstellen und die Einschätzung, ob nach ihnen gehandelt wurde, zwangsläufig subjektiv ist. “Gebt euch immer Mühe” ist kein Prinzip. Das ist eine Trivialität. “Gebt immer einen Rabatt” ist kein Prinzip. Denn die Einhaltung ist objektiv bestimmbar.

Beispiele für Prinzipien sind: „Wir geben dem Kunden immer das Gefühl, dass er recht hat” oder „Bei der Qualität der sichtbaren Teile machen wir keine Kompromisse.” Das engt den Entscheidungsraum ein, ohne Entscheidungen vorwegzunehmen. Prinzipien können dafür sorgen, dass eure Zusammenarbeit noch konstruktiver wird.

In Richtung Deiner eigenen Chefs kannst Du ebenfalls aktiv werden. Zum Beispiel, indem Du mit dem gleichen Vokabular bewaffnet versuchst, mehr Verantwortlichkeit zu erringen, die Du in Form größerer Freiräume weitergeben kannst. Natürlich verbunden mit dem entsprechenden Risiko. There is no free lunch.

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Jemand ist verantwortlich, übernimmt aber keine Verantwortung

Beispiel:

Du weist einem Mitarbeiter die Leitung für ein wichtiges Projekt zu. Auf dem Papier hat er nun die volle Autorität und die Verantwortlichkeit für den Erfolg des Projekts.

Du beobachtest jedoch, dass der Mitarbeiter keine Entscheidungen trifft und sich immer wieder bei Dir absichert. Wenn überhaupt, entscheidet er nur bei Kleinigkeiten oder wenn er sich sicher ist, die Zustimmung von Kollegen und Dir zu ernten. Enttäuschung macht sich breit: “Unsere Leute wollen ja gar keine Verantwortung übernehmen”.

Beispielhafte Reaktion:

Dieses Verhalten deutet häufig darauf hin, dass der Projekterfolg an Faktoren gebunden ist, die über den Einflussbereich des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiter hinausgehen.

Mal fehlt ein Gefühl für die Einbettung des Projekts in die Gesamtstrategie, sodass ein Risiko besteht, in politische Fettnäpfchen zu treten. Mal fehlt der Zugriff auf wesentliche Ressourcen. Mal kann die Reintegration des Projekts nur gewährleistet werden, wenn eine Symmetrisierung zur Linie stattgefunden hat, wozu jedoch zunächst ein Mandat nötig wäre. Mal verletzt das Projekt kulturelle Gewohnheiten so sehr, dass sich seine Mitglieder ohne einen stabilen Schutzraum dem ständigen Gegenwind der Kollegen ausgesetzt sehen würden. Etc.

In diesen Fällen hilft eine Klärung der Arbeitsteilung. Um selbige vorzunehmen, lautet die Leitfrage: Was musst Du leisten, damit das Projekt Erfolg haben kann? Und was muss das Team (bzw. der spezifische Mitarbeiter) leisten?

Manchen Teams bzw. Mitarbeitern fällt es schwer, sensible Themen anzusprechen, die mit der Beantwortung dieser Fragen einhergehen. Um über solche Tabus hinwegzuhelfen, kannst Du entweder Vermutungen äußern und so Besprechbarkeit signalisieren oder mit Pre-Mortem oder anderen Kreativtechniken einen Musterbruch in der Kommunikation provozieren.

Diese Empfehlungen sind Mikroanpassungen, die einen echten Unterschied machen können. Nicht selten reichen sie jedoch nicht aus. Zum Beispiel, wenn auf der Managementsystem-Ebene durch Ziele, Beurteilungssysteme, Kennzahlen u. ä.m. grundsätzliche Fehlanreize gesetzt werden. In diesem Fall braucht es substanziellere Veränderungen, bei denen das Führungsteam aktiv werden muss.

Ich hoffe, das hat Dir für den Führungsalltag ein wenig geholfen. Ich freue mich immer über Praxisberichte vom Einsatz solcher Denkwerkzeuge.

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