Lust auf Führung

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Druckventil-Symptom

Unser Sohn besucht hier in England eine sogenannte Micro School. Was sie vom Mainstream unterscheidet: Projektbasiertes Lernen, sehr kleiner Betreuungsschlüssel, heimisch-flexibles Raumkonzept, nur 3 Tage Schule pro Woche und er lernt mehr und schneller als im staatlichen System.

Ihm gefällt’s, uns gefällt’s und den Lehrern gefällt’s. Vor allem den Lehrern. Denn anders als zuvor lieben sie ihren Job jetzt. Alle hatten bislang in einer Mainstream-Schule gearbeitet und gingen auf dem Zahnfleisch.

Wie bei einem Druckventil entlud sich bei ihnen das gesamte Systemversagen. Druck von der Schulleitung, vom Gesetzgeber, von der eigenen Familie, von den Eltern und von den Kindern.

Eigentlich wollten sie den Lehrerjob an den Nagel hängen, doch dann erfuhren sie von der Micro School.

Du ahnst, worauf ich hinaus will …

Süßigkeiten-Verzehr-Quote … echt jetzt?

Viele Führungskräfte stecken heute in einer ähnlichen Situation wie die Lehrer in den Schulen. So wie das traditionelle Schulsystem Schwierigkeiten hat, den Entwicklungen unserer Zeit standzuhalten, so tut es das traditionelle Führungssystem auch.

Es unterstellt, dass oben gedacht und unten gemacht werden könnte, ohne dabei ständig Fehlentscheidungen zu treffen.

Alle Informationen sollen ihren Weg an die Spitze der Hierarchie finden, damit dort informierte Entscheidungen getroffen werden können. Das Mittel des Informationstransports sind Reportinglinien, Kennzahlen, IT-Systeme, Meetings (siehe dazu auch die B/A-Quote), Ampelberichte und mehr.

Anschließend finden die Entscheidungen in Form von Zielen, Plänen, Regeln, Prozessen und Co. ihren Weg wieder nach unten zu den Mitarbeitern. Auf deren Basis soll dann gehandelt werden.

Bloß passt dieses starre Korsett nur noch für die Routinearbeit. Für alle von hoher Dynamik betroffenen Vorgänge stellt es Mitarbeiter vor ein Dilemma. Sie müssen sich entscheiden, wen sie befriedigen wollen: die Steuerung oder den Markt? Dienst nach Vorschrift oder Orientierung an den echten Marktzwängen?

Leittragende dieses traditionellen Führungssystems sind insbesondere die Führungskräfte im Mittelmanagement. Dort entlädt sich der Widerspruch am stärksten.

Sie sind wie Wandler zwischen den Welten. Einerseits müssen sie sich dem Zahlenspiel und den Konformitätserwartungen des Management-Alltags nicht nur beugen, sondern es auch regelrecht vertreten. Schließlich sind sie ein Teil davon. Andererseits erleben sie ständig, wie ihre Mitarbeiter an dem engen Korsett vorbeiarbeiten müssen, um überhaupt noch brauchbare Arbeit leisten zu können.

Wer soll da noch Lust haben, Führungskraft zu werden? Wer will schon Botschafter einer neuen Süßigkeiten-Verzehr-Quote sein – kein Scherz, eine solche ist mir bereits begegnet – während gerade alle Projektmanagementvorgaben gerissen werden müssen, damit der Kunde nicht enttäuscht wird. Nur um gleichzeitig im Management-Meeting die Ampeln auf Grün zu stellen.

Ein solches Führungssystem macht es hochgradig unattraktiv, Führungskraft zu werden. Denn wer ist schon gerne ein Druckventil?

Meine These ist: Es mangelt gar nicht an der Lust, zu führen. Es mangelt an der Lust, Führungskraft zu werden.

Können Unternehmen daran etwas ändern? Das können sie. Und dazu muss nicht gleich das ganz große Rad gedreht werden.

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Mainstream-Abkehr

Dem Mainstream kehren in den letzten Jahren immer mehr Unternehmen den Rücken. Anstatt das nächste Effizienzprogramm zu bemühen, setzen auch manche größere Konzerne auf die Veränderung ihres Führungssystems. Das prominenteste Beispiel ist aktuell der Umbau bei Bayer.

Hier wird erkannt, dass Effizienzprogramme nur kurzfristig Kosten sparen. Doch wer nur Kosten sparen will, übersieht den Unterschied zwischen Verschwendung und indirekter Wertschöpfung. Wer dem Sprinter das Dehnen verbietet, bekommt keine Höchstleistung mehr.

Stattdessen wird Bürokratie abgebaut. Auch nicht mit der Heckenschere, sondern mit Bedacht. Fakt ist: In den meisten Unternehmen könnte gut und gerne 40-60 % der Bürokratie abgeschafft werden. Ihr müsst nur aufmerksam analysieren, welche wirklich schadet und welche auch heute noch nützt.

Deshalb muss auch nicht das ganz große Rad gedreht werden. Es muss nicht alles neu erfunden oder über Bord geworfen werden. Es braucht keine Revolution. Sonst wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Zwei Schritte können schon große Verbesserungen bewirken:

Der erste Schritt ist die Anerkennung des Problems. Wenn das, was ich oben geschrieben habe, nicht mehr unter den Teppich gekehrt wird, sondern offen ausgesprochen werden kann, dann fühlen sich die Führungskräfte in ihrer Herkulesaufgabe nicht mehr alleine.

Wo nicht so getan wird, als wäre das Theater keines, ist es auch erträglicher. Außerdem können die Mitarbeiter helfen, die nötige Show nach oben zu bedienen. Und als Führungskraft kannst Du wiederum Deinen Führungskräften signalisieren, dass sie nicht schuld sind. Du kannst sie entlasten, indem Du ihnen verdeutlichst, dass Du weißt, in welcher Zwickmühle sie sich befinden.

Zusammen leidet es sich bekanntlich leichter. Das beseitigt die Ursache nicht, doch wo Klartext gesprochen werden kann, nimmt man sich für den nächsten Powerpoint-Report keine acht Stunden, sondern eine. Das reduziert Verschwendung und macht das Business-Theater erträglicher.

Der zweite Schritt besteht im selektiven Abbau von Bürokratie. Denn 20 % der Bürokratie verursacht 80 % der Verschwendung. In manchen Unternehmen sind es die individuellen Zielvereinbarungen, deren Administration und Betrieb etliche Arbeitsstunden frisst und zudem noch Fehlanreize setzt. In anderen sind es die Reiserichtlinien. Manchmal sind es die Beurteilungssysteme. Oder die Budgetrituale.

In unseren Beratungsprojekten arbeiten wir mit dem sogenannten Praktikenputz systematisch daran, lästige Bürokratie zu reduzieren und hilfreiche zu beschützen.

Das Ergebnis ist nicht nur wirksamere Arbeit. Nach einer Entschlackungskur geht immer auch ein Ruck durch die Organisation. „Na endlich“ ist die gängige Reaktion.

Allmählich steigt so wieder die Lust, Führungskraft zu sein oder zu werden. Denn in Unternehmen mit einem markttauglichen Führungssystem ist man gerne Führungskraft. Dort hat die Rolle Gewicht. Sie ist kein mit Widersprüchen aufgeladenes Erwartungsbündel. Sie stiftet Nutzen. So wie die Lehrer meines Sohnes sich nützlich fühlen und ihren Job gerne machen.

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