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Meetings

Meeting-Wahnsinn: Wieso die üblichen Tipps nichts bringen

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Für 43 % aller Teilnehmer unserer kürzlich durchgeführten Führungskräfte-Umfrage war der Meeting-Wahnsinn der größte Pain Point im Führungsalltag.

Die Management-Literatur wird deshalb auch nicht müde, Dich mit Tipps zu versorgen, wie Du eure Meetings effizienter machen kannst. Von Zielen, über eine gute Struktur, Gesprächsregeln, Deckelung der Meetinganzahl bis hin zur Moderatorenausbildung ist alles dabei.

Dabei können diese Tipps im besten Falle alle nur den Schmerz lindern. Denn die Ursache für den Meeting-Wahnsinn findest Du selten im Meeting selbst.

Don’t shoot the meeting!

»Don’t shoot the messenger« – in dem neuen Hollywood-Streifen Napoleon ist es mir wieder begegnet. Aber woher kommt das eigentlich ganz ursprünglich? Ich habe mal nachgeschlagen und bereits in der Antike war es üblich, Boten zwischen den Fronten von Kriegsparteien oder zwischen Herrschern verschiedener Länder zu senden. Auch damals hatten die Boten die Aufgabe, Nachrichten und Forderungen zu überbringen.

Es galt als allgemeiner Grundsatz und Teil des Völkerrechts, dass diese Boten Immunität genossen. Denn sie agierten ja lediglich als Übermittler der Befehle ihrer Vorgesetzten und waren nicht direkt an den Auseinandersetzungen beteiligt.

Das zugrundeliegende Prinzip war, die Fortführung der Kommunikation auch in kriegsähnlichen Zeiten zu gewährleisten, ohne dass die Boten für die Botschaften, die sie trugen, zur Rechenschaft gezogen wurden.

Heute, um die 2.500 Jahre später, gibt es diese Boten immer noch. Nur bewegen sie sich nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern sie sind in Bürogebäuden und Videokonferenzen vorzufinden.

Und so wie es damals keinen Sinn ergeben hätte, den Boten für seine Botschaft verantwortlich zu machen, so ergibt es heute keinen Sinn, das Meeting (oder seine Teilnehmer) für seinen Ablauf und die Inhalte verantwortlich zu machen.

Mit anderen Worten: Wer den Meeting-Wahnsinn loswerden will, findet die Antwort nicht im Meeting selbst. Denn Meetings sind ein Symptom.

Don’t shoot the meeting!

Ein Indiz, an dem Du das selbst erkennen kannst, ist die Vorahnung, die Du bei Meetings bereits entwickelst, bevor sie gestartet sind. Du weißt in der Regel, ob das Meeting ein Energiesauger oder ein Energiegeber sein wird. Du weißt, ob Du Dich taktisch vorbereiten musst. Ob mit einer Auseinandersetzung, einem Anschiss, einer oberflächlichen Show oder einem konstruktiven Ausfechten von Ideen zu rechnen ist.

Warum weißt Du das? Weil die Ursache für den Verlauf des Meetings mehr mit den Bedingungen außerhalb des Meetings zu tun hat, als mit dem Meeting selbst. Und die waren Dir natürlich auch schon vor dem Meeting bekannt.

Doch was ist dann die Ursache für den Meeting-Wahnsinn?

Spieglein, Spieglein an der Wand …

Denk an ein traditionell tayloristisch organisiertes Unternehmen. Einen Betrieb also, der von dem Versuch geprägt ist, für alles DEN EINEN besten Weg zu finden. Alle sich ähnelnden Vorgänge werden funktional gebündelt und in Abteilungen voneinander abgeteilt.

Entscheidungen – auch die operativen Alltagsentscheidungen – werden zentralisiert und entweder durch Regeln, Prozessanweisungen, Richtlinien o.ä. obsolet oder von wenigen klugen Führungskräften getroffen. Die Zukunft wird durch Pläne gedanklich vorweggenommen, sodass in der Gegenwart der Plan das Verhalten prägt, nicht die Umwelt des Unternehmens.

Solange die Umwelt einigermaßen still hält, ist in so einem Unternehmen wenig abzustimmen. Es ist ja bereits alles geregelt. Und was noch entschieden werden muss, wird von wenigen entschieden und dann als Steuerungsimpuls durch die Organisation getragen. Für Meetings gibt es also wenig Bedarf. Solche Unternehmen gibt es auch heute noch zuhauf.

Doch wenn die Dynamik in der Umwelt des Unternehmens steigt, steht diese Struktur im Widerspruch zu dem steigenden Koordinations- und Entscheidungsbedarf.

Denn jetzt passen die Regeln nicht zum Problem. Und die Pläne nicht zur Gegenwart. Die Führungskräfte sind zu weit weg vom Alltag. Die Abteilungen stehen sich mit ihren Zielen gegenseitig im Weg. Die IT ist zu starr. Die Prozessanweisungen zu unflexibel. Usw.

Der Abstimmungsbedarf steigt als Folge dieser Entwicklung. Und wo findet die Abstimmung statt?

Richtig, in Meetings.

In Meetings brechen sich die Abstimmungsbedarfe Bahn. Dort verdichten sich aber eben auch die Widersprüche. Die Konflikte entladen sich. Die im Hintergrund wirkenden Ziele, Motive und Partikularinteressen sitzen den Teilnehmern im Nacken. Kurzum: Das Meeting ist das Spiegelbild der Organisation.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass externe Organisationsentwickler gerne an Meetings ihrer Kunden teilnehmen. Die Meetings dienen ihnen als Schlüsselloch, um einen Blick hinter die Kulissen der Organisation zu werfen.

Der geübte Organisationsentwickler liest zwischen den Zeilen und beobachtet nicht nur die Vorderbühne des Meetings, sondern kann auch Rückschlüsse auf die Hinterbühne ziehen.

Die weniger Geübten sehen hingegen nur den Meeting-Wahnsinn. Sie sind deshalb schnell verführt, das Meeting selbst als Adresse der Veränderungsbemühungen zu interpretieren und laufen damit bei den verantwortlichen Führungskräften offene Türen ein. Wir müssen hier einfach mal ein bisschen Ordnung reinbringen“, denken sich nämlich die meisten.

Und so entstehen die üblichen Versuche, Meetings zu verbessern: Meeting-Kontingente, Meeting-freie Zeiten, Meeting-Regeln, Meeting-Struktur, Meeting-Vorbereitung, Meeting-Ziele, Meeting-Rituale usw.

Alles nicht zwingend falsch. Aber alles Arbeit am Symptom. Nimm zum Beispiel den Versuch, die Gesamtanzahl der Meetings künstlich zu deckeln. Letztlich wird mit dieser Maßnahme ein Koordinationsbedarf unterbunden, der seine Ursache in der Struktur des Unternehmens hat. Dieser Koordinationsbedarf muss sich nun einen anderen Weg suchen, z.B. ein informelles Zusammentreffen. Oder noch schlimmer: Die Kommunikation bleibt aus.

Aber Moment mal: Meetings sind doch auch in den Unternehmen zu beobachten, die für ihren Markt passend organisiert sind. Und auch da wimmelt es manchmal nur so vor Meetings. Meetings sind doch unumgänglich, oder nicht?

Meeting ist nicht gleich Meeting

Ja, Meetings sind unumgänglich. Zumindest überall dort, wo Menschen ihr Verhalten ändern und dieses veränderte Verhalten aufeinander abstimmen müssen.

Doch Meetings erfüllen unterschiedliche Funktionen: Manche Meetings fördern den effizienten Informationsaustausch; andere das schnelle Treffen operativer Entscheidungen; wieder andere werden primär zur Demonstration von Machtverhältnissen genutzt; viele sind eine Arena zur Aushandlung von Ressourcenallokationen oder der Bearbeitung von Konflikten; einige Meetings sind sozialer Schmierstoff und manche Meetings sind ausschließlich dazu da, der Schauseite des Unternehmens zu dienen.

Das Problem ist: Jede Führungskraft, jeder Organisationsentwickler, jede Person letztlich, die eine Verbesserung bewirken will, muss zunächst lernen, zwischen diesen Funktionen zu unterscheiden.

Denn wer nicht zwischen Machtgerangel, Informationsaustausch, sozialem Schmierstoff, Ressourcenkonflikten etc. unterscheidet, sieht nur Meetings. Alles verschwimmt zu diesem einen, alles einschließendem und als Dauerstörung empfundenen Übel: dem bösen Meeting.

Um es einfacher zu halten, erlaube ich mir eine Verkürzung und schlage vor, Du unterscheidest demnächst zwischen zwei Meeting-Typen.

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Arbeits- vs. Beschäftigungs-Meetings

Ein Arbeits-Meeting ist der wirksamste Weg, Koordinations-, Entscheidungs- und Informationsbedarfe zu stillen. Dort treffen sich Mitarbeiter, weil sie es wollen. Was hier passiert, leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Wertschöpfung. Was besprochen wird, zahlt unmittelbar auf die echte Arbeit ein – deshalb auch der Name.

Ein Arbeits-Meeting erkennst Du daran, dass Du Dich darauf freust. Du gehst mit Neugier, Fragen, Lernwünschen, Klärungsbedarf, Informationshunger in ein Arbeits-Meeting. Niemand muss Dich zu Deinem Glück zwingen. Wenn Du zu spät kommst, ärgerst Du Dich womöglich sogar, denn es gibt Wichtiges zu verpassen.

Diese Art von Meetings wirken wie ein Katalysator: Sie beschleunigen organisationale Vorgänge. Es ist das Meeting im Meisterbüro, wo ein Problem in der Montage besprochen wird. Es ist das Projektmeeting, in dem ein Mitarbeiter von einer neuen Kundenerfahrung berichtet. Und es ist auch das Meeting in der Geschäftsführung, in dem eine wichtige Richtungsentscheidung getroffen wird.

Das Beschäftigungs-Meeting hingegen ließe sich auch als Theater-Meeting bezeichnen. Denn es dient immer auch oder ausschließlich einer anderen Funktion als der vorgegebenen. Es ist spiegelbildlich für die Strukturen, Rahmenbedingungen und Management-Instrumente, die der Arbeit im Weg stehen, weil hier um den sprichwörtlichen heißen Brei herumgeredet wird.

Beschäftigungs-Meetings erkennst Du daran, dass Du sie als Belastung empfindest. Du musst Dich in der Regel auf sie vorbereiten, um nicht auf dem linken Fuß erwischt werden zu können. Du musst womöglich taktieren. Es wird in Gegnern und Fürsprechern gedacht. Argumentationsketten werden ausheckt und Bauernopfer genutzt. Beschäftigungs-Meetings fühlen sich wie die dunkle Seite der Macht an und sind von Misstrauen überschattet. Zudem sind sie meist zäh und langwierig.

Beschäftigungs-Meetings sind die Folge von Bedingungen, die mit der eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben bzw. dieser im Weg stehen. Und da sie einen anderen Zweck erfüllen, werden diese Meetings auch mit den besten Meeting-Methoden immer zäh bleiben.

Natürlich ist nicht jedes Meeting ein reines Arbeits-Meeting. Hier und da spielt man sich Theater vor und manche Phasen eines Meetings mögen von Tabus überschattet oder von Machtspielchen verunreinigt sein. Andersherum findest Du auch in Beschäftigungs-Meetings Phasen oder Situationen, die auf die echte Arbeit einzahlen. Die Unterscheidung ist also eine Tendenzunterscheidung. Sie soll Dir als Denkwerkzeug dienen.

Und sie leistet einen Beitrag zur Organisationsentwicklung.

Die B/A-Quote

Am Ende einer Woche reflektiere ich häufig, welche Meetings ich für nötig hielt, ob sie von Theater überschattet waren, ob sie zu unserer Arbeit beigetragen haben, ob sie produktiv waren.

Ich bilde also gedanklich das Verhältnis zwischen Beschäftigungs- und Arbeits-Meetings: die B/A-Quote.

Denn in einem Unternehmen mit vielen Beschäftigungs-Meetings findet viel Verschwendung statt. Und wo viel Verschwendung stattfindet, gibt es wirtschaftliche Potenziale zu heben. Logisch.

Wenn Du also die Anzahl eurer Beschäftigungs-Meetings durch die Anzahl der Arbeits-Meetings teilst, dann erhältst Du ein Indiz (nur ein Indiz) für die Leistungsfähigkeit eurer Organisation. Je kleiner die Zahl, desto weniger Beschäftigung. Je größer die Zahl, desto mehr Beschäftigung und somit Organisationsentwicklungsbedarf.

Was ist eine gute Quote?

Gute Frage. Und es ist unmöglich, diese pauschal zu beantworten. Bei uns ist die Quote weit unter 1, vielleicht liegt sie bei 0,1. Manche Unternehmen leiden unter einer Quote von weit über 1.

Die absolute Quote ist nachrangig. Vorrangig ist die Entwicklung. Wenn Du die aktuelle Quote als Ausgangspunkt nutzt, kannst Du an ihrer Entwicklung ablesen, ob sich die Organisationsentwicklungsmaßnahmen positiv oder negativ auf die Wertschöpfung auswirken.

Beschäftigungs-Meetings reduziert ihr – so wie jede Form von Beschäftigung – durch die Arbeit am Führungssystem. Unter dem Führungssystem verstehen wir die Auf- und Ablauforganisation sowie die Regeln, Prozesse, Zielvereinbarungen, Budgetsysteme, Beurteilungs- und Feedbackmodelle etc., eben alles, was wir als Management-Instrumente und -praktiken bezeichnen.

Anregungen zur Arbeit am Führungssystem findest Du an vielen Stellen in unserem Magazin, z.B. in diesem Zweiteiler. Wenn Du in der Tiefe lernen und verstehen willst, wie Du wirksam am Führungssystem arbeitest, um nicht nur den Meeting-Wahnsinn zu beenden, sondern Deine Organisation erfolgreicher zu machen, dann empfehle ich Dir unsere Ausbildung.

Arbeit am Führungssystem klingt zunächst wie eine Mammutaufgabe. Ist es aber übrigens gar nicht. Verbesserungen sind schon mit kleinen Schritten zu haben, wenn Du an der richtigen Stelle ansetzt.

Entscheidend ist zu verstehen: Wer am Meeting-Wahnsinn etwas ändern will, kommt an einer Arbeit am Führungssystem nicht vorbei.

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