Persönlichkeit von Führungskräften

Suche nicht nach guten Chefs

Was haben die Strukturen Deiner Organisation damit zu tun?
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Ob aus eigener Erfahrung oder aus hitzigen Diskussionen in der Teeküche, mit Sicherheit kennst auch Du einen: so einen richtig fürchterlichen Chef. Auch ich musste kürzlich wieder an einige Exemplare denken, veranlasst durch – leider mal wieder – den so häufig unsäglichen Horst Seehofer.

Nun soll hier nicht der Platz sein, seine Politik zu kritisieren oder zu befürworten oder gar eine grundsätzliche Gender-Debatte anzustoßen, aber das Beispiel ist einfach zu herrlich: Nachdem Horst im März noch stolz anlässlich der Gründung seines Heimatministeriums vor die Presse tritt und dabei, wie die Süddeutsche Zeitung es so schön beschreibt, seine »Boygroup« präsentierte, sitzt er im Mai demonstrativ neben einer Frau. »Vielleicht können Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass ich an meiner Seite eine Frau sitzen habe«, sagt Seehofer zu den Pressevertretern. Eleonore Petermann, seine Pressesprecherin, soll dafür sorgen, so Horst Seehofer wörtlich, dass die Medienvertreter im Raum »schöne Bilder haben«.

Diese Aussage ist jetzt von ihrer moralischen Abscheulichkeit her nicht weiter zu kommentieren. Umso verwunderter war ich, dass eine taffe Frau wie Eleonore Petermann, die nun wirklich nicht auf den Mund gefallen ist, bei einem solchen Kommentar ruhig sitzen bleibt anstatt zu feuern: »Hören Sie mal, Sie Flegel! Was soll das denn jetzt?«

Nun, vielleicht hat Frau Petermann verstanden, dass es auf lange Sicht wenig bringt, sich über einen A****loch-Chef aufzuregen. Der Fehler, wenn im Unternehmen einer kommuniziert wie ein Elefant im Porzellanladen, liegt nicht beim graurüsseligen Chef alleine, sondern eben auch in der Struktur.

Das Spiel mit der Macht

Natürlich kannst Du Deinem Chef nicht immer unverblümt die Meinung geigen. Schließlich tut es weder Dir noch ihm gut, wenn Du ihn bloßstellst. Aber die entscheidende Beobachtung ist doch: Gegenüber Deinen gleichgestellten Kollegen würdest Du ein Fehlverhalten sehr flott monieren, nur gegenüber dem Chef zögert man eher. Denn hier kommt etwas ins Spiel, das Du sowohl in der Politik, als auch in Unternehmen und nahezu jeder Organisation feststellen kannst: Die Kommunikation ändert sich, sobald formale Macht im Spiel ist.

Der formale Vorgesetzte, der Chef verfügt eben über eine gewisse formale Macht. Er wirft Dich vielleicht nicht gleich in hohem Bogen raus, wenn du ihn kritisierst. Aber er könnte Dich durchaus rügen, Dir eine Abmahnung schreiben, Dir den Urlaub oder eine Gehaltserhöhung streichen, Dich beim nächsten spannenden Projekt übergehen und Dich lieber den ungeliebten Abteilungsausflug organisieren lassen. Und auch Deine Kollegen können Dich spüren lassen, dass Du vermeintliche formale Grenzen überschritten hast. Der Inhaber der formalen Macht hat natürlich Möglichkeiten, Mittel und Wege, seine Macht zum Ausdruck zu bringen – und verändert dadurch ganz wesentlich die Kommunikation.

Aber zum schlechten Chef macht ihn das noch lange nicht.

Grillen mit dem Chef 

Um Dir diese Aussage näherzubringen, muss ich kurz ein bisschen ausholen: Bei der Frage, was Kommunikation überhaupt bedeutet, herrscht ein sehr tradiertes Bild vor. Da sendet eine Person eine Mitteilung und eine andere empfängt sie. Wie bei der Post, als wenn Mitteilungen Pakete wären. Das Absenden ist dann die Kommunikation. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass ich dieses Bild von Kommunikation teile. Ich lehne mich lieber an den Kommunikationsbegriff von Niklas Luhmann an: Kommunikation ist für mich das, was zwischen den beiden involvierten Personen entsteht. Beide geben Gesten und Worte ab, daraus entsteht Kommunikation. Nicht der eine oder die andere kommuniziert. Keiner von beiden kann entscheiden, wie die Codierung und die Entwicklung der entstandenen Kommunikation aussehen. Der Unterschied beider Kommunikationsmodelle ist gravierender als es zunächst scheint.

Im Alltag ist es interessant, wenn Du Dich zum Beispiel beim Grillen mit Deinen Freunden mal aus der Diskussion herausnimmst und einfach nur zuschaust und -hörst, wie die Kommunikation sich entwickelt. Nun stell Dir die gleiche Situation vor, aber Dein Chef oder eine andere Person mit formaler Macht sitzt mit am Tisch. Was passiert? Exakt: Sobald der/die formale Machthabende auch Kommunikationsangebote macht oder die restlichen Teilnehmer seine Anwesenheit auch nur mitbedenken müssen, verändert sich die Kommunikation maßgeblich. Hans erkennt, dass das Schimpfen über die Arbeit plötzlich tabu ist. Simone erzählt deutlich weniger enthusiastisch vom durchzechten Wochenende in Berlin.

Aber wird die Kommunikation nun befangener, je schlimmer der Chef ist? Nein, keineswegs. Auch der beste, vorbildlichste, offenste Chef mit allen perfekten Tugenden der heutigen Managementkultur wird diesen Effekt hervorrufen. Da kann er noch so oft versichern: »Sprechen Sie nur offen, Ihnen drohen keine Konsequenzen.« Denn der Chef beeinflusst durch seine bloße Anwesenheit immer die Kommunikation, aber er kann sie nicht bestimmen. Er ist nicht ihr Autor. Genausowenig wie Du.

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Der »gute« Chef versagt

So ist es zweitrangig, wie »nett« oder »böse« ein Chef ist, ob er empathisch, charismatisch, menschlich, achtsam oder wertschätzend ist. Er kann nicht verhindern, dass die Menschen um ihn herum immer mitdenken, was er wohl gerade von ihnen oder der aktuellen Diskussion hält. Ich selbst als Unternehmer habe oft genug den leicht versteckten Blick aus den Augenwinkeln zu mir als Chef gespürt, wenn ich mich in einer Runde zurückhielt. ›Wie findet wohl Lars den Vorschlag, kann ich weitermachen?‹

An manchen Stellen ist diese formale Macht, diese Hierarchie durchaus hilfreich, das würde ich nie leugnen wollen. Sie hat ja zum Beispiel den ungemeinen Vorteil, dass der Chef sich nicht ständig darum scheren muss, ob er persönlich seine Mitarbeiter immer mitreißt oder die Sinnhaftigkeit jeder Anweisung deutlich macht. Wenn er das immer tun müsste, käme er ja auch zu nichts. Aber wenn Du und Dein Team ein Problem lösen müsst, zu dem es noch kein Wissen gibt, wo Prozesse, Methoden und Kennzahlen versagen, dann braucht ihr Ideen. Wenn Du Dich nun permanent fragst, was der Chef über Deine Ideen denkt, machst Du zwangsläufig Kompromisse, anstatt Ideen vorzubringen, die unter Umständen total rocken könnten. Die Anwesenheit des Chefs – physisch oder nicht – ist immer dysfunktional, egal wie »gut« er agiert.

Verlorene Liebesmüh’

Für mich ist es deshalb verlorene Liebesmüh’, sich zu überlegen, wie der Chef sein müsste. Denn diese Überlegungen gehen immer vom klassischen Kommunikationsbild aus. Ich gehe lieber andersherum ran und frage: Woher kommt diese formale Macht? Warum gibt es diese Organisationsstruktur, also diese formale Hierarchie?

Bei Problemen ohne Wissen braucht es eine Organisation, in der Teams ohne formale Macht agieren können. In der es in den Teams also nur Rollen, keine Ämter gibt. Und dann ist es egal, ob da ein Horst Seehofer, eine Eleonore Petermann oder ein Hans Müller mit im Team sitzen. Denn das Entscheidende sind die Strukturen dahinter!

Sind diese Strukturen intelligent gebaut und lebendig, dann gewinnen andere Formen der Macht an Bedeutung. So gibt es in Teams beispielsweise die Macht der besten Idee, also die soziale Legitimation einer Person. Gerade diese Form von Macht müssen wir möglich machen.

Du bist wirksamer, wenn du nicht auf die Persönlichkeit des Chefs schaust, sondern auf die Strukturen Deiner Organisation.

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Gut auf den Punkt gebracht und aus eigener Erfahrung mit „netten“ und „bösen“ Chefs kann ich voll zustimmen. Folgende Fragen poppen beim Lesen auf: Wie verändert sich diese Dynamik, wenn die formale Macht des Vorgesetzten über Gehalt, Urlaub, Beförderung etc. nicht mehr vorhanden ist? Wenn im UN jeder über sein Gehalt und seinen Urlaub selbst entscheiden darf? Wer hat dies in der Praxis erlebt und beobachtet und kann berichten? Verändert sich die Dynamik langsam und kaum wahrnehmbar oder aprupt? Und vor allem: welche Modelle weg vom Formalismus der Macht hin zur „Macht der besten Idee“ könnten für große, komplexe und multikulturelle Unternehmen funktionieren oder funktionieren sogar bereits?

Hi Lars, würdest Du den letzten Satz auch so den Chefs vermitteln wollen/können: Ihr seid wirksamer, wenn Ihr nicht auf Eure Persönlichkeit schaut, sondern auf die Strukturen Eurer Organisation.? Btw: Gibt es einen Artikel von Dir über die Wirksamkeit von Chefs?

Die Bedeutung der Wirkung hierarchischer Strukturen statt reflexhafter Personalisierung von Führung selbstredend. Über die Wechselwirkung von Persönlichkeitsausprägungen mit Rollen und Kulturmerkmalen sind ja auch schon dicke Bücher geschrieben worden. Soziologische Abstraktion sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie unterschiedlich Menschen je nach Kompetenzen bzw. Inkompetenzen, Menschenbildern, Persönlichkeits- und Verhaltensmustern in entsprechenden Machtpositionen konkret wirken können.

Da ist es wieder: Bei Problemen ohne Wissen braucht es eine Organisation, in der Teams ohne formale Macht agieren können.

Wie können wir Menschen, deren Selbstbild schon qua Amt bestimmt, einfache Lösungen für nachgerade jedes Problem zu haben nahebringen, dass in komplexen Situationen dieses Wissen nicht hilft?

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