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Braucht Dein Unternehmen auch einen Chief Trust Officer?

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Die technologischen Innovationen und insbesondere der jüngste Durchbruch im Feld der Künstlichen Intelligenz wirft für immer mehr Menschen die Vertrauensfrage auf.

Wem kann ich noch glauben? Sind meine Daten sicher? Sind die Bilder echt? Hilft mir gerade ein echter Mensch oder eine Maschine? Vertrauen aufzubauen, wird für Unternehmen immer wichtiger und immer schwerer.

Inzwischen haben sich über 900 Unternehmen der Content Authenticity Initiative angeschlossen, die 2019 von Adobe, Twitter und der New York Times gegründet wurde. Bereits 19 % aller Unternehmen haben laut dem MIT Technology Review eine Funktion, die exklusiv dem Thema Vertrauen gewidmet ist.

Braucht Dein Unternehmen also auch einen Chief Trust Officer?

Vorstandssitzungs-Rookie

Ein hoher Puls, kalt-schwitzige Hände, rote Wangen – die Zeichen meiner Nervosität waren eindeutig, als ich mit 23 Jahren an meiner ersten Vorstandssitzung teilnahm.

Rund 2.000 Studenten vertrat ich damals im Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V. (VWI). Der VWI war mein erster richtiger Sandkasten für Organisationsaufbau und Führung.

Als Vertreter der Studenten war es mir ein Anliegen, neue Projekte zu initiieren, die Hochschulgruppen auszubauen, den Nutzen der Mitgliedschaft zu erhöhen, freiwilliges Engagement zu fördern und natürlich sinnvolle Organisationsstrukturen zu erarbeiten, die all das wahrscheinlicher machten.

Dazu musste ich diese Interessen im Vorstand in Form von Beschlüssen und Budgets durchsetzen. Doch ich war natürlich nicht der einzige mit Interessen.

Das war mir schon vor der ersten Vorstandssitzung klar und so war ich nicht nur von einer gehörigen Portion Nervosität befallen, sondern auch von zahlreichen Erwartungen darüber, was die erfahrenen Manager, Unternehmer, Professoren und anderen Vorstandsmitglieder wohl ihrerseits erreichen wollten.

Gespannt saßen wir uns gegenüber: jeder mit seiner Agenda. Jeder mit Erwartungen über die Erwartungen der jeweils anderen. In Lauerstellung. Auf den richtigen Moment wartend. Freundlich, klar. Aber auch misstrauisch. Und vor allem gaben wir immer vor, mehr zu brauchen, als wir es tatsächlich taten. Der türkische Basar ließ grüßen.

Was wir definitiv nicht waren: ein Führungsteam. Nein, wir waren eher eine Gruppe von Einzelkämpfern – jeder mit seinen Zielen. Genau so, wie wir es heute in vielen Unternehmen beobachten.

Und warum?

Weil jeder im Verband unterschiedliche Funktionen erfüllte. Keine der Funktionen war verzichtbar. Jede hatte also ihre Relevanz. Aber jede wollte sich auf Kosten der jeweils anderen durchsetzen. Offiziell natürlich nicht. Aber de facto trafen mehr Interessen und Projektideen aufeinander als einem Verband finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Der Verbandspräsident hatte definitiv keine einfache Aufgabe, um all diese Interessen unter einen Hut zu bringen. Und ich habe es ihm definitiv nicht leichter gemacht;)

Und welches Interesse hat der Chief Trust Officer?

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Funktions-Schnappreflex

Konventionell geführten Unternehmen wohnt ein Reflex inne, der seit der Erfindung des Taylorismus’ Bestand hat. Der Reflex besteht darin, aus jedem umfangreichen Problem eine neue Organisationsfunktion zu machen, inklusive Funktionsleiter.

So entstanden bereits Qualitätsabteilungen, Controllingabteilungen, Compliance Abteilungen, Change Abteilungen, ja, sogar Komplexitätsmanagement Abteilungen sind mir schon begegnet.

Das muss – bis auf das letzte Beispiel vermutlich – nicht grundsätzlich falsch sein, doch es hat einen Preis. Denn jede Abteilung erfüllt eine Funktion. Man spricht auch von funktionaler Differenzierung. Unternehmen sind in diesem Sinne also meist funktional ausdifferenziert.

Und jede Funktion setzt sich logischerweise für ihre Interessen ein. So wie meine Vorstandskollegen damals im VWI.

Obwohl Qualität, Kostenkontrolle, Compliance, Change und Komplexität ja immer auch integrierte Facetten der tagtäglichen Wertschöpfung sind, werden sie durch die künstliche Herauslösung aus dem Verbund zum exklusiven Anwalt der jeweiligen Funktion.

In den letzten Jahren hat sich der Differenzierungswahn auf teils abenteuerliche Weise fortgesetzt. Chief Human Ressource Officer, Chief Commercial Officer und Chief Technology Officer gehören ja quasi auch schon zum Standardinventar.

Aber nicht selten gesellen sich nun auch ein Chief Underwriting, Program, Legal, Revenue, Growth, People, Delivery, Diversity & Inclusion, Happiness und Remote Work Officer dazu. Meist in Verbindung mit einer Gruppe oder ganzen Abteilung. (Siehe dazu auch mein Video zum Chief Remote Work Officer und Googles Einschränkung der Remote Work Freiheiten)

Tja und nun … Trommelwirbel … ja, nun gibt es eben seit ein paar wenigen Jahren auch den Chief Trust Officer.

Manche Kritiker behaupten, die vielen Positionen gäbe es nur, um Leuten einen schicken Titel geben zu können und ihr Statusmotiv zu befriedigen. Da ist sicherlich etwas dran. Doch der Reflex sitzt tiefer und die Konsequenzen reichen deutlich weiter.

Mit jeder neuen C-Level Funktion wird auch den bestehenden Funktionen eine Facette ihrer Verantwortlichkeit entzogen. Zudem wird durch jeden neuen Chief Officer ein Nährboden für zusätzliche lokale Optimierung und weniger Gesamtüberblick geschaffen. Mehr Politik, weniger Unternehmertum.

Für Konzerne ist das normal und manchmal auch eine unverzichtbare Begleiterscheinung des politischen Machtspiels, ohne das börsennotierte Kapitalgesellschaften nicht auskommen.

Die Verantwortungsdiffusion beschränkt sich aber nicht nur auf Konzerne. Auch im Mittelstand wütet die funktionale Differenzierung. Und da erodiert sie die Führungsmannschaft so zuverlässig, dass man von einer solchen häufig kaum noch sprechen kann.

Die Sache ist so schon kritisch genug, doch meist wird die Konkurrenz um Partikularinteressen u.a. in Form von Zielen und Boni auch noch institutionell verstärkt. Folglich sitzen sich dann die Abteilungsvertreter mit der Gewissheit gegenüber, sich nicht über den Weg trauen zu können.

Aber Moment mal, wie sorgt man denn sonst dafür, dass die Interessen ihren Raum finden? Ohne einen Chief Happiness Officer sind die Leute doch unmotiviert. Und ohne einen Growth Officer stagniert das Unternehmen. Und ohne den Remote Work Officer, na wer soll da noch wissen, wo gearbeitet wird?

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Das Mannschafts-Prinzip

Das ist ein nachvollziehbares Argument. Aber ein schwaches.

Natürlich mögen einige (übrigens längst nicht alle) dieser Interessen eine Berechtigung haben. Die intelligentere und zugleich anstrengendere Frage, die ihr euch stellen müsstet, wäre jedoch: „Wie sorgen wir dafür, dass diese Interessen integraler Bestandteil der Arbeit werden? Wie sorgen wir dafür, dass ihre Verfolgung eine Selbstverständlichkeit wird?“

Wer mit Abteilungen und Head Ofs reagiert, ist bereits im Pflasterklebe-Modus. Symptombekämpfung also. Feuerwehr statt des nötigen Brandschutzes.

Solange von „Dein“ Problem und „mein“ Problem gesprochen werden muss, ist von einer Führungsmannschaft keine Spur.

Mannschaften teilen ihre Probleme. Natürlich arbeiten sie ebenfalls arbeitsteilig. So wie der Abwehrspieler und der Stürmer im Fußball sich die Arbeit aufteilen. Aber sie haben beide das gleiche Problem: Sie müssen gemeinsam mehr Tore schießen als der Gegner, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Also kein Chief Trust Officer?

Frag’ Dich …

Ich möchte keine Empfehlung für oder gegen den Chief Trust Officer aussprechen. Das würde ich mir ohnehin erst bei genauer Kenntnis Deines Unternehmens zutrauen.

Wichtiger ist, dass Du Dir die richtigen Fragen stellst:

  1. Welche Interessen sind meine Führungskräfte „gezwungen“ zu vertreten?
  2. Wie würde ich an ihrer Stelle handeln?
  3. Welches Verhalten wird belohnt?
  4. Was hindert mein Führungsteam aktuell noch daran, ein Führungsteam zu sein?
  5. Habe ich eine Strategie, die auch durch die tieferen Winkel unserer Organisation Wirkung entfaltet (siehe dieser Artikel zu Strategie), sodass die Gesamtinteressen des Unternehmens Berücksichtigung finden?
  6. Wenn Thema X gerade Priorität hat, wie entfaltet das Relevanz in der Abteilung B?

Wir haben in den letzten Wochen angefangen, unsere Projekte der letzten Jahre systematisch zu reflektieren und es verdichtet sich der Eindruck: Der Erfolg der meisten Veränderungsinitiativen, die wir beraten oder nur passiv begleitet haben, steht und fällt mit der Anwesenheit einer echten Führungsmannschaft.

Nicht jedem neuen Problem gleich mit einem neuen C-Level Vertreter zu begegnen, ist bereits ein guter erster Schritt auf dem Weg zu einem Führungsteam, wenngleich es damit alleine natürlich nicht getan ist.

Ampel-Alarm

Ich habe mich in meiner VWI Zeit übrigens nicht nur mit Ruhm bekleckert. Als ich zusammen mit einigen anderen das sogenannte Bundesteam gründete, war ich so euphorisch, dass ich es unbedingt den „echten“ Managern nachmachen wollte. Und so führte ich Reportings mit Statusampeln ein, mit denen ich die unterschiedlichen Ressorts steuern wollte.

Für mich eine prägende Erinnerung, wie es möglich ist, auch oder gerade wegen bester Absicht, so einiges an Schaden anzurichten. Ich zehre heute noch von den damaligen Führungsfehlern.

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Ein wunderbarer Artikel, der es auf den Punkt bringt.

Wie viele Abteilungen brauche ich im Unternehmen, damit es funktioniert? Sicher sind bestimmte Strukturen erforderlich, um Aufgaben zu gliedern und zu bündeln. Aber alle Abteilungen sollten zusammenarbeiten und den Blick auf das gemeinsame Unternehmensziel haben: die Primary Task!

Und damit sind wir bei dem Thema Vertrauen. Arbeiten alle Teams und Abteilungen vertrauensvoll zusammen und steht über allem das gemeinsame Unternehmensziel, kein Problem. Dann ist es eher unwichtig, wie viele Abteilungen es gibt.

Und: Vertrauen kann ich nicht einfordern, auch nicht mit einem Chief Trust Officer. Je mehr über Vertrauen gesprochen wird, umso mehr fehlt es offensichtlich. Andernfalls wäre es keiner Rede wert, weil es die gelebter Unternehmensalltag ist und die Basis für die Zusammenarbeit. Und für das, was selbstverständlich ist, brauche ich kein eigenes Ressort. Da reicht es, wenn die Führungskraft Vertrauen vorlebt.

Die Artikel von Intrinsify sind immer eine Bereicherung. In diesem Sinne freue ich mich schon auf die nächsten News!

Hallo Mark, to the point. Das schon beinahe inflationäre Gerangel um Titel und das Streben ein persönliches Wichtigkeitsgefühl durch eben diese Titel zu erlangen, ist eine solch unglaubliche Bremse für Unternehmen ! Der Blick auf das worum es eigentlich geht, geht verloren.( Ich frage mich allerdings ob der Fehler immer nur vom Unternehmen ausgeht, oder ob es teils auch ein gesellschaftliches Phänomen ist, ein gewisser (selbstauferlegter) persönlicher Druck existiert: die Oberflächlichkeit dass Titel wichtiger als Taten zu sein scheinen…ein wichtig klingender Titel liest sich halt gut auf LinkedIN oder ?) Es entstehen dadurch immer mehr Mauern und ein Dschungel an Reportinglines. Der Erfinderreichtum eines Unternehmens sollte sich daher lieber nicht auf Titel fixieren sondern auf den Markt beziehen. Und wie Claudia richtig schreibt : wenn man wirklich einen Chief Trust Officer ernennen meint zu müssen, sollte die Frage erlaubt sein ob man nicht ein anderes Problem in der Firma hat. Dass gewisse Funktionen klar definiert sein müssen steht dabei ausser Frage. Und wieder einmal : Danke dass du in Worte fasst,was man oft im Unternehmensalltag fühlt und erlebt.

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