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Führungsstil

Die Rolle der Führungskraft in Zeiten von Corona

3 Tipps
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Wenn doch das nervige Silodenken nicht wär’
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„Willst Du ein Haus bauen, beschäftige Dich mit Statik“
Meeting-Wahnsinn: Wieso die üblichen Tipps nichts bringen
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3 Tipps für den Führungsstil für das Führungssystem

2014 bin ich mit drei meiner besten Freunde auf den Kilimandscharo gestiegen, dem mit 5895 Metern höchsten Berg Afrikas. Unser Plan sah eine Gipfelbesteigung für den 5. Tag vor. Wir brachen gegen Mitternacht vom letzten Lager auf, um die verbleibenden ca. 1200 Höhenmeter bis zum Gipfelkrater zu nehmen – rechtzeitig zum Sonnenaufgang wollten wir oben sein.

Die Nacht war eine der anstrengendsten meines Lebens, insbesondere weil mir die Höhenluft mächtig zu schaffen machte. Gegen ca. 3 Uhr fingen wir regelmäßig an, unseren Guide zu fragen, ob er abschätzen könne, wie lange wir wohl noch brauchen würden. Seine Antwort war immer dieselbe:

»Nicht mehr lange.«

Als uns diese Antwort nicht mehr befriedigte, wurden wir energischer:

»Sag doch mal konkret! Wir sind doch nicht doof. Wir laufen ja jetzt schon wieder eine Stunde und es ist immer noch kein Kraterrand in Sicht.«

Die „Krise“ nahm zu, der Schwindel setzte ein, uns war zum Teil schlecht, wir sahen die ersten Erschöpften am Wegesrand, die aufgegeben hatten und nun vor der Umkehr standen.

»Nicht mehr lange.«

Wenn ich heute auf diese Geschichte zurückblicke, ist sie das sinnbildliche Negativbeispiel einer unglücklich ausgeübten Chef-Rolle.

Der Hochmut der Wissensanmaßung

In einer Krise steigt die Komplexität. Wir vermissen die sicher geglaubten Selbstverständlichkeiten. Wir handeln ins Ungewisse. Man könnte auch sagen: Wir sind gezwungen, ohne Wissen zu handeln.

In der Folge nimmt die Bedeutung eines Wissensvorsprungs deshalb ab. Oft gibt es gar keinen mehr. Wie auch – Wissen kann ja nur vorliegen, wenn sich ein Ereignis wiederholt. Wer also jetzt noch auf einen Wissensvorsprung beharrt, der macht sich unglaubwürdig.

»Nicht mehr lange.«

So wie unser Guide. Und das obwohl ihm sogar das Wissen über die verbleibende Restanstiegszeit vorlag. Hier hinkt meine Analogie also sogar. Und dennoch: Er hat versucht, uns zu beruhigen und seine Rolle darin gesehen, die Interpretationshoheit für die Situation für sich zu beanspruchen. Er wollte unser Leader sein.

Implizit ging er davon aus: »Wenn ich die Situation verharmlose, dann geht es denen besser. Die können mit dieser Unsicherheit noch nicht umgehen.«

Noch alberner wäre es gewesen, wenn er selbst zum ersten Mal den Berg bestiegen hätte. Und nichts anderes tun wir gerade alle im Umgang mit Corona. Wir erklimmen erstmalig den „Corona-Berg“.

Wenn sich der Chef in seiner Freizeit nicht schon hobbymäßig mit dem Verlauf von globalen Pandemien und rezessiven oder sogar depressiven Wirtschaftstendenzen beschäftigt, dann ist kaum anzunehmen, dass seine Mitarbeiter Orientierung bei ihm suchen. Jedenfalls nicht, um Ruhe und Sicherheit zu finden.

Auch unter Normalbedingungen begegnet dieses Phänomen vielen Mitarbeitern. Chefs, die meinen, immer alles zu wissen, machen sich zum Affen. Denn für viele der täglichen Herausforderungen sind sie die letzten, die einen Wissensvorsprung bereitstellen können. Sie sind schließlich ganz häufig am weitesten vom Problem entfernt.

Die traditionelle Aufgabe einer Führungskraft, nämlich Anweisungen zu erteilen und deren Einhaltung zu kontrollieren, gerät deshalb vielerorts an ihre Grenzen.

Leadership als Lösung?

Der Zeitgeist fordert stattdessen Leadership. Das sei, so liest man oft, das „gute Neue“. Doch Leadership basiert auf Ansehen, nicht auf Macht. Wer in Gegenwart hoher Komplexität auf seinen Machtanspruch beharrt, riskiert sein Ansehen. Wer eingesteht, nicht mehr wissen zu können als seine Kollegen, kann Ansehen gewinnen. Kann!

Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Gäbe es ein Rezept für mehr Ansehen, hätten wir es alle. Dann gäbe es Ansehen auf Knopfdruck.

Ansehen stellt weder der Chef noch die Mitarbeiter her. Es ist ein soziales Phänomen, das man aneinander beobachten kann. Und es ist ganz unabhängig von den Schulterklappen.

Paul beobachtet: »Wenn es brenzlich wird, fühle ich mich zu Judiths Sichtweisen hingezogen. Scheinbar genießt sie bei mir Ansehen
Judith beobachtet: »Paul und die anderen finden wohl Gefallen an meinen Ideen. Scheinbar genieße ich deren Ansehen.«

Das hat weder Paul noch Judith gemacht. Das stellt man fest, wenn es passiert ist. So wie die Liebe. Liebe handelt man sich ein, die macht niemand.

Deshalb entbehrt es jeder Logik, Führungskräften Leadership abzuverlangen. Genauso wie es jeder Logik entbehrt, Liebe einzufordern.

Was also tun? Wie kann eine Führungskraft die spezielle ihm zuteil gewordene Rolle auch unter hoher Dynamik konstruktiv einsetzen?

 

Tipps für den Chef in der Krise

1) Wenn Du Wissen hast, teile es.

Solltest Du tatsächlich über einen Wissensvorsprung verfügen, z.B. weil Du qua Rolle Zugriff auf bestimmte betriebliche Informationen hast, dann teile sie (es sei denn sie sind vertraulich). Nutze die Privilegien Deiner formalen Rolle zum Vorteil Deines Bereichs, indem Du alles mit Deinen Mitarbeitern teilst, was Du objektiv weißt.

2) Beschütze Deine Mitarbeiter nicht

Deine Mitarbeiter sind mündige Erwachsene, von denen viele Kind und Kegel zu versorgen haben. Je mehr Informationen sie haben, desto informiertere Entscheidungen können sie für sich und das Unternehmen treffen.

Wenn Du glaubst, sie beschützen zu müssen, infantilisierst Du sie. Das führt meist zur Erosion der Arbeitsbeziehung und Glaubwürdigkeit, die Dir entgegen gebracht wird. (»Nicht mehr lange«).

3) Optimismus vs. Beschönigung

Optimismus ist für mich, auch in den düstersten Umständen, an sich und seine Fähigkeiten glauben zu können. Optimismus ist für mich nicht, immer davon auszugehen, dass die Welt zukünftig objektiv besser aussehen wird als jetzt. Letzteres ist in meinen Augen Beschönigung. Augenwischerei.

Optimismus hat meiner Meinung nach also viel mehr damit zu tun, was ich aus einer Situation mache, als damit wie sich die Situation ohne mein Zutun entwickeln könnte.

Optimismus ist weniger eine Hoffnung auf das Positive, sondern das Selbstvertrauen, das Positive selbst erzeugen zu können.

Deshalb habe ich mich auch dazu entschieden, die Dinge so gut es geht beim Namen zu nennen. Ich möchte lieber ein Gespräch darüber fördern, wie schlimm es werden könnte als blauäugig dem Alltagstrott nachzugehen.

Beschönigung stiftet häufig Misstrauen. Vom Optimismus genährte Ideen können Vertrauen stiften. Können!

Optimismus ist keine Tugend, die Du Dir selbst verordnen kannst. Aber Du kannst Deine formale Macht nutzen, um den Tabubruch der Augenwischerei zu fördern. Denn Du bist in der glücklichen Lage, Dinge aussprechen zu können, für die Deine Mitarbeiter ein (wenn auch nur kleines) Risiko eingehen müssen.

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Arbeit am System

Die Punkte 1) bis 3) sind stilistischer Natur. Sie adressieren also den Stil der Führung. Wenn Du mich bereits kennst, weißt Du, dass ich darin meist den kleineren Hebel sehe. Die Arbeit am System (Führungssystem) ist wichtiger als die Arbeit im System (Führungsstil). Auch und gerade jetzt. (Siehe auch mein letzter Artikel dazu.)

Umso mehr freue ich mich, dass ich meinen Beitrag an dieser Stelle beenden und auf eine praktische neue Toolbox meiner Organeers Kollegen verweisen kann. Sie haben Erfolgspraktiken in einem leicht anwendbaren 3-schrittigen Prozess aufbereitet. Dieser Prozess ist Ausdruck der Führungssystem-Arbeit, von der ich hier spreche, und zahlt auf ein interessantes Phänomen ein, dessen Existenz mir aktuell von vielen meiner Kontakte in der Wirtschaft bestätigt wird:

Die Corona-induzierte Zwangsagilisierung führt bei vielen Unternehmen zu einer ganz besonderen Form des Zusammenhalts. Plötzlich funktionieren Dinge, die vorher kaum denkbar gewesen wären. Schlank, pragmatisch, nutzenorientiert, unpolitisch. Und die große Frage ist: Wie lässt sich das in Zukunft fortsetzen?

Und schließlich noch ein Aufruf an alle, die selbst einen Chef haben: Wir sind auch nur Menschen. Habt Nachsicht bitte. Manchmal treten wir in ein Fettnäpfchen zu viel, wenn wir versuchen die vermeintlichen Erwartungen an unsere Rolle mit der Beobachtung in Einklang zu bringen versuchen, dass wir eigentlich keinen Vorsprung haben können.

Achso, ich hab die Kilimandscharo-Geschichte ja noch offen gelassen: Wir haben es noch geschafft. Wir sind oben angekommen. Und der Moment als uns klar war, dass es ab jetzt nur noch ein entspannter Spaziergang am Kraterrand sein würde, war einer der überwältigensten Momente meines Lebens.

 

P.S.: Falls es Dir jetzt in den Fingern juckt und Du mir sagen möchtest, dass ich doch jetzt gerade Wissen beanspruche, das ich nicht haben kann, nur zu: Hau Dir die Finger wund. Ich habe mich schon letztes Mal über die vielen Antworten gefreut. Aber ich möchte auch noch einmal unterstreichen: Alles oben Geschriebene ist meine Überzeugung und nichts, das ich für die EINE Wahrheit halte. Es ist ein Denkangebot, mehr nicht.

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[…] My intent here is to challenge leaders to pause and identify what they need to do differently not only to sustain, but also to strengthen their skills in a virtual setting‚ particularly during a time when their teams are looking to them more than ever for direction. Die Rolle der Führungskraft in Zeiten von Corona | von Mark Poppenborg. […]

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