Lange habe ich daran gezweifelt, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Ich trug die These in mir, er sei ein Mythos, der insbesondere der Rekrutierungsindustrie in die Karten spielt. Zu häufig bin ich jedoch inzwischen in der Praxis vom Gegenteil überzeugt worden. Ja, es scheint sich in manchen Branchen tatsächlich ein echter „War for Talents“ entwickelt zu haben. Ein Zustand also, bei dem das Angebot an Fachkräften kleiner ist als die Nachfrage.
Aber ganz im Ernst: So richtig verstehe ich es trotzdem nicht, dieses ganze Thema. Und das meine ich frei von jeder Ironie. „Zeit, etwas zu lernen”, dachte ich mir also.
Ich schreibe uns bei intrinsify ja schon zu, einige Symptome für den Fachkräftemangel nicht nur zu kennen, sondern auch ihre Ursachen beheben zu können.
Laute Bekenntnis statt Stiller Kündigung
“Quiet Quitting” gehört zu diesen Symptomen. Wer leise kündigt, anstatt sich laut zu bekennen, ist meist von einer Sehnsucht nach echter Arbeit geplagt.
Dieser Mangel ist seinerseits eine unmittelbare Folge ausufernder Beschäftigung. Beschäftigung wiederum lässt sich mit Future Leadership zielsicher bekämpfen. Denn ihre Quelle ist immer ein Führungssystem, das nicht zu den Wertschöpfungsherausforderungen passt.
Schneller Praxistipp: Wenn eure Unternehmenskultur eher als negativ beschrieben wird, dann verabschiedet euch von euren Fluchtverhinderungssystemen aka Mitarbeiterbenefits. Der Dienstwagen, die Fitnessstudiomitgliedschaft, der Obstkorb – sie alle kaschieren das Problem der inneren Kündigung doch bloß.
Oder wollt ihr wirklich Kollegen haben, die nur wegen dieser Perks bleiben?
Dreht den Spieß um: Macht euren Mitarbeitern die Kündigung so einfach wie möglich. Wer es leicht hat, zu kündigen, bleibt nur, wenn es die Arbeit wert ist.
Manche zahlen ihren Mitarbeitern sogar einen Bonus, wenn sie kündigen. Die Unternehmen Zappos und Trainual machen das beispielsweise. Sogar Amazon hatte mal ein Pay-to-Quit Programm.
Wenn eure Unternehmenskultur als positiv beschrieben wird und ihr nicht den Verdacht hegt, dass Mitarbeiter innerlich kündigen, dann spricht einiges dafür, dass euer Fundament stabil ist und nichts dagegen, einige Mitarbeiterbenefits zu ergänzen. Aber denkt immer dran: Wer ein Sahnehäubchen setzen will, braucht erst einen Kuchen.
Die intrinsify Ausbildung
FUTURE LEADERSHIP
Löse Führungsprobleme,
die andere noch nicht mal verstehen.
Arbeitgebermarke: Transparenz statt Kosmetik
Auch bei dem Thema Arbeitgebermarke traue ich mir eine Meinung zu. Dass so viele Bewerber schon längst eine Kosmetik-Blindheit entwickelt haben, ihrerseits jedoch im Bewerbungsprozess Kosmetik auftragen, belastet das Recruiting mit einem unnötigen Maß an Verschwendung und adverser Selektion.
Eine Arbeitgebermarke ist, wie jede Marke, ein System im Medium Kandidat (bzw. Kunde). Verständlicher: Eine Marke macht man nicht. Eine Marke macht sich selbst.
Natürlich kann ein Unternehmen eine Marke beeinflussen – jede Entscheidung im Unternehmen ist ständige Irritationsquelle für die Marke – aber eine zielgerichtete Gestaltung der Marke ist nicht möglich. Nur eine zerstörerische, das gilt jedoch für alle Systeme.
Wer versucht, die Arbeitgebermarke ohne den Arbeitgeber zu denken, betreibt also Kosmetik. Die Marke spricht durch jeden Außenkontakt des Unternehmens hindurch. Gerade da, wo ein Unternehmen seine Kernleistung erbringt, prägt es seine Marke. Deshalb kann HR auch keine Arbeitgebermarke konstruieren, denn sie ist ja nie unabhängig vom Arbeitgeber.
Sie kann Fassaden konstruieren, klar. Doch wir alle wissen, was mit Fassaden passiert, sobald wir durch sie hindurchtreten.
Ich rate immer zur unbequemen Ehrlichkeit, eher sogar zum Understatement. Das ist inzwischen so ungewöhnlich, dass Arbeitnehmer darauf deutlich neugieriger reagieren als auf Hochglanzbroschüren voller austauschbarer Standard-Formulierungen.
Sagt einfach, wie es ist, bei euch!
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Fachkräftemangel in meinem Podcast
Doch wie gesagt, es gibt auch Facetten des Fachkräftemangels, die erschließen sich mir nicht. Also habe ich mich entschieden, meine Erkenntnislücken durch echte Feldforschung zu reduzieren.
Das klingt vielleicht etwas hochtrabender als es ist. Jedenfalls habe ich angefangen, mit Praktikern und Experten zu sprechen – solchen, die nicht mehr weiter wissen; solchen, die sich durch innovative und unkonventionelle Maßnahmen hervortun; solchen, die sich schon eine halbe Ewigkeit mit dem Thema beschäftigen; auch solchen, die darin überhaupt kein Problem sehen.
Manche dieser Gespräche habe ich für meinen Podcast „MarkUp“ aufgezeichnet bzw. werde das noch tun.
Die Erfahrungen meiner Gesprächspartner analysiere ich durch die Future Leadership Brille. Was ich dabei lerne, will ich in meinem Podcast, im intrinsify Newsletter und bei LinkedIn (folge mir hier) teilen. Im Idealfall kann ich so Orientierung bieten, die heute noch fehlt.
Los geht’s heute mit einer Episode mit dem „Leiter Öffentlichkeitsarbeit“ bei Ziehl-Abegg, Rainer Grill. Eine bessere Bezeichnung wäre vielleicht: TikTok-Star. Mit seinen Kollegen hat er nämlich für einen dramatischen Zuwachs der Bewerbungen bei diesem tendenziell tradierten Mittelständler gesorgt. Und das mit einem Social Media Kanal, der als Plattform für Kids gilt. Und mit Maßnahmen, bei denen einige vermutlich Fremdscham empfinden.
Ich musste gut staunen bei diesem Gespräch und habe versucht, an den kritischen Punkten genauer nachzubohren. Ein besonderes Highlight ist das unerwartete Ende der Episode. Sie ist auf allen gängigen Plattformen zu hören, z. B. hier bei Apple oder hier bei Spotify.
Also dann: Ich freue mich, wenn Du mich auf meiner Erkenntnisreise begleitest.