Heute Abend endet für mich ein sensationeller Urlaub an der Pazifikküste Mexikos. Und wann immer um mich herum Spanisch gesprochen wird, wird in mir die Lernlust geweckt.
„Dieses Mal hänge ich mich rein. Dieses Mal bleibe ich dran. Dieses Mal lerne ich so richtig Spanisch.“ So besonders weit hat mich diese Lust bisher nicht getragen. Denn anstatt neue Gewohnheiten zu etablieren, blieb es meist bei leeren Vorsätzen. Ob Neujahr oder nicht, spielte dabei keine Rolle.
Um Deine Vorsätze zu erreichen, findest Du viele gute Ratgeber. Selbstredend auch viele schlechte. Um deren Beurteilung geht es mir jedoch nicht. Nur darum festhalten zu wollen, dass es so ganz grundsätzlich möglich ist, dass Du Dir einen Vorsatz nimmst und ihn Realität werden lässt.
Wäre doch schön, wenn das auch auf Unternehmen übertragbar wäre. Aber geht das?
Unternehmen haben kein Bewusstsein
Es ist verführerisch, das Unternehmen mit neuen Vorsätzen versorgen zu wollen. Doch wer versorgt da eigentlich wen mit was?
Das Problem beginnt bei der weit verbreiteten Vorstellung davon, worum es sich bei einem Unternehmen handelt.
Üblich ist die Überzeugung: Unternehmen bestünden aus Menschen. Wenn sich die Mitarbeiter also einen neuen Vorsatz zu eigen machen, dann habe damit das Unternehmen einen neuen Vorsatz. Ein Unternehmen zu überzeugen, heiße demnach, Mitarbeiter zu überzeugen.
Wenn Du mir bzw. uns allen hier bei intrinsify bereits eine Weile folgst, dann weißt Du: Wir schauen da anders drauf. Wir nehmen eine systemtheoretisch inspirierte Perspektive ein. Und die nimmt an: Unternehmen bestehen gar nicht aus Menschen, sondern aus Kommunikation.
Wenn ein Unternehmen aus Kommunikation besteht und aus sonst nichts, dann hat es kein Bewusstsein. Das würde selbstbezügliche Gedanken voraussetzen. Ein Unternehmen kann aber nicht denken. Das können nur Menschen.
Also kann ein Unternehmen sich auch nichts vornehmen. Unternehmen sind die Fortsetzung ihrer selbst. Wie mein beliebter Vergleich mit einem Gesellschaftsspiel: Ein Spiel will nichts. Ein Spiel denkt nicht. Ein Spiel geht weiter, solange es Spieler findet, die sich für den Spielbetrieb instrumentalisieren lassen.
Deshalb stehen Mitarbeiter regelmäßig staunend vor ihrer eigenen Organisation. Obwohl alle den gleichen Vorsatz hatten, hat sich nichts geändert.
Was also tun? Wie werden aus Vorsätzen Realitäten im Unternehmen?
Dazu unterscheide ich gerne zwei Arten von Vorsätzen.
Vorsätze als abstrakte Änderungswünsche
Oft höre ich: „Wären wir doch nur innovativer.“
„Würden unsere Mitarbeiter doch nur mehr Verantwortung übernehmen.“
„Gäbe es doch nur weniger Abteilungsdenken.“ Usw.
Hier nährt sich der Vorsatz aus der Unzufriedenheit mit einem gegenwärtigen Allgemeineindruck.
Der Lösungsansatz lautet hier: Vom Abstrakten zum Konkreten!
In welchem Team; im Zusammenhang mit welchen Arbeitsvorgängen; für die Erzeugung welchen Wertes; wann typischerweise; wie lange schon; in welchen Situationen mehr und in welchen weniger übernehmen welche Mitarbeiter keine Verantwortung?
UND: Warum ist das ein Problem?
Wenn das Suchfeld erst einmal eingegrenzt ist, kann es auf diese konkrete Frage auch eine konkrete Antwort geben.
Womöglich steht ein Beurteilungssystem der Verantwortungsübernahme im Weg, weil es Mitarbeiter zu Enthaftungsverhalten dressiert (siehe Kooperationskiller). Oder die Kopplung zu einem angrenzenden Bereich ist unglücklich geschnitten, sodass es zu destruktiven Abhängigkeitsverhältnissen kommt. Oder, oder, oder.
Die Selbstverpflichtung, sich vom Abstrakten zum Konkreten vorzuarbeiten, zwingt zur aufmerksamen Organisationsbeobachtung. Und ohne die, bleibst Du nahezu immer auf der Symptomebene und bei der Pauschalanklage.
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Vorsätze als Ideen
Manchmal hat ein Mitarbeiter eine Idee. Ideen haften immer an Menschen. Sie können zwar von ihren Ideen erzählen, doch zu der Idee gehört immer auch das korrespondierende Gefühl.
Deshalb sind Ideen nicht ohne Weiteres übertragbar. Wenn Anna eine Idee hat und Jan davon erzählt, verfängt die Idee bei Jan nur dann auf die gleiche Weise wie bei Anna, wenn Anna und Jan gegenüber dem Sachverhalt, dem die Idee dienen soll, das gleiche Gefühl teilen.
Dazu müssen sie typischerweise lange zusammen und an ähnlichen Problemen gearbeitet haben. Und auch dann bleibt es eine Ausnahme.
Die Regel ist: Eine Idee „gehört“ zu ihrem Ideengeber und ist nicht übertragbar.
Das kennst Du von dem Versuch, anderen eine Idee von Dir überlassen zu wollen und dann enttäuscht zu sein, dass von Deiner Vorstellung wenig wiederzuerkennen ist.
Das heißt aber auch: Wenn der Vorsatz eine Idee ist und aus dieser konkreten Idee etwas werden soll, dann muss sie von dieser Person getragen werden. Und dazu muss die Person Ansehen genießen. Sonst verpufft sie neben den vielen anderen Ideen.
Erst dann, also wenn die Person für Kollegen eine Autorität darstellt, kann das ein Grund für sie sein, ihr folgen zu wollen.
Die Systemtheoretiker sprechen dann von der Person als relevante Entscheidungsprämisse. Die Kommunikation richtet sich auf das ein, was die Autorität mitteilt. Das heißt auf gut Deutsch: Es entsteht ein Momentum, das vom Ideengeber getragen wird.
Ob Menschen sich mit ihren Ideen durchsetzen, hat also mit dem Bild zu tun, das sich in der Organisation von ihnen geformt hat.
Deshalb entsteht Neues immer um Mitarbeiter, die in der Organisation Ansehen genießen.
Das heißt aber auch: Es passiert oder es passiert nicht. Man kann es nicht machen.
Der Lösungsansatz für diese Art von Vorsätzen ist deshalb deutlich passiver und lautet:
Schaffe Bedingungen, in denen die Möglichkeit entstehen kann, dass Mitarbeiter sich gegenseitig folgen können, ohne dabei ein zu großes Risiko eingehen zu müssen.
Damit ist häufig die Frage verbunden: Wie enge ich in meinem Verantwortungsbereich Freiheitsgrade ein? Wo reduziere ich durch viel Bürokratie, durch enge Vorgaben, durch widersprüchliche Erwartungen, durch ausufernde Reportingstrukturen etc. die Wahrscheinlichkeit, dass es sich für Mitarbeiter lohnt, einer gut klingenden Idee freiwillig zu folgen.
Aber auch: Wie schaffe ich Räume, in denen Ideen sich geschützt entfalten können? Wem gebe ich ein Mandat, eine Idee zu verfolgen, weil ich selbst Vertrauen in die Person habe?
Das ist Arbeit am System. Ich behaupte: Das ist originäre Management-Arbeit.
Und wenn der Vorsatz von ganz oben kommt? Dann gilt es zu hoffen, dass die dort handelnde Person, von eben diesem Ansehen gesegnet ist.
Sonst bleiben Vorsätze im Unternehmen genauso folgenlos, wie sie es häufig im Privaten sind.