Passt das Tool?

Warum Mitarbeiter das Intranet nicht nutzen

Verschiedene Glaubenssätze
Aus HR wird People & Organisation
Philipp Simanek
Aus HR wird People & Organisation
Wie gibt man einem anderen Mensch die Möglichkeit, zum Könner in einer Domäne heranzuwachsen? Kurz und knapp: Erst »Follow the rules« und danach »F*** the rules«. Ausführlicher erklärt Dir Lars Vollmer wie Du zum Könner wirst.
Lars Vollmer
Don't f*** the rules – Wie Du zum Könner wirst
Es ist verführerisch, den Unterschied zwischen Methoden und Könnern zu ignorieren. Lars Vollmer hat in den letzten Jahren Menschen kennengelernt, die das tun.
Lars Vollmer
Wer löst besser die wichtigen Probleme: Methoden/Rezepte oder Könner?
Partizipations-Theater in Agilen Organisationen Im Gespräch mit Daniel Pötzinger, CTO der AOE GmbH, und Philipp Simanek von intrinsify
Philipp Simanek
Partizipations-Theater in Agilen Organisationen
Mark hat lange daran gezweifelt, dass es den Fachkräftemangel gibt. Bisher vertrat er die These, dass der Mangel eigentlich nur der Rekrutierungsindustrie in die Karten spielt. Was ist also tatsächlich dran am Mythos „Fachkräftemangel“?
Mark Poppenborg
War for Talents

„Hey Klaus, spannendes Thema, oder?“ Thomas reicht seinem Geschäftsfreund das Besteck rüber. Die beiden treffen sich auf einer Konferenz zum Thema „Open Knowledge – Transparenz im Unternehmen“. Es ist Mittagspause.

„Ja, ist super! Passt bei uns gerade total rein. Wir haben nämlich vor einiger Zeit so ein Social Intranet eingeführt. So, wie das der Typ eben beschrieben hat.“

„Ach echt“, fragt Klaus neugierig, während er nach einem passenden Beilagen-Salat Ausschau hält. „Und, wie läuft‘s?“

Thomas‘ Gesicht verfinstert sich. „Ach, überhaupt nicht. Meinst Du, da würde mal einer was Interessantes posten? Wenn sie überhaupt was reinschreiben, dann nur oberflächlichen Kram. Meine Leute nehmen das bisher überhaupt nicht an!“

Wieder in der Firma, klickt sich Thomas gleich ins Intranet. Der letzte Eintrag war vor zwei Monaten… „Mist“, denkt er.

Du darfst – aber wehe, du machst…

So, wie Thomas geht es vielen Unternehmens-Chefs. Sie setzen auf moderne offene Kommunikationstools, um den Austausch ihrer Mitarbeiter zu fördern. Der Plan: Dynamische Wissensvermittlung. Soweit, so schön.

Nach einiger Zeit merkt man jedoch, dass es nicht funktioniert. Die Mitarbeiter nutzen es nicht. Sie posten entweder gar nichts oder nichts Relevantes. Nichts jedenfalls, was mit der eigentlichen Arbeit zu tun hätte.

Die gesamte Führungsriege versucht, das Tool zu pushen, es künstlich am Leben zu halten. Aber kein Anreiz fruchtet.

Nettes Ad-On, mehr nicht.

Was passiert hier?

Keiner würde doch bestreiten, dass Wissenstransfer ein entscheidendes Erfolgskriterium ist. Auch keiner der Mitarbeiter.

Und trotzdem springt niemand auf diesen Zug auf. Warum?

Möglicherweise liegt es daran, dass die Mitarbeiter auf der Plattform einen Austausch leben sollen, der ihnen überhaupt nicht vertraut ist. Im Gegenteil. Er würde ihnen im Betriebsalltag vielleicht sogar zum Verhängnis werden! Zwei sich wiedersprechende Signale?

Im Alltag „Hü“ und im Social Intranet „Hott“?

Mit dem Intranet ist es oft so, wie wenn man seinem Kind predigt: „Hey, Du darfst weinen. Du darfst zeigen, dass Du traurig bist.“ Wenn man sich aber im Kinderzimmer umschaut, dann stehen da nur Superhelden herum.

Und wenn Sohnemann tatsächlich einmal weint, dann spricht Papa schnell ein Machtwort: „Hör auf. Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Was wird der Sohn also tun? Er wird den Aufruf zur Sensibilität als Geschwätz abtun und keine Träne mehr weinen. Stattdessen lernt er wahrscheinlich zu predigen.

Verschiedene Glaubenssätze

Um zu verstehen, warum es überhaupt keinen Sinn macht, den Sohn in einem Kakao-Gespräch über die Wichtigkeit der Gefühle aufzuklären, muss man sich mit den Überzeugungen auseinander setzen, die ANSONSTEN in der Familie herrschen.

Deutlich werden diese in den herumstehenden Superhelden oder auch in der unmittelbaren Sanktionierung der Gefühlsäußerung. In den Praktiken also, die die Familie an den Tag legt.

Dahinter steht der Glaubenssatz: Ein Junge weint nicht. Und dieser Glaubenssatz passt nun einmal überhaupt nicht zu der Idee hinter dem „Kakao-Gespräch“.

Emotionalität predigen und Indianer honorieren? Geht nicht zusammen.

Um also zu erkennen, ob ein neues Tool, hier z.B. das Intranet, im Unternehmen funktionieren kann, muss man sich anschauen, welche Praktiken ansonsten an der Tagesordnung sind. Und wofür diese Praktiken stehen, sprich, welche Überzeugung dahinter stecken.

Wenn diese Überzeugung der Idee, die hinter dem neuen Tool steht, widerspricht, dann wird dieses mit Sicherheit scheitern.

Schauen wir uns das mal für das Social Intranet in Thomas‘ Unternehmen an:

1. Schritt: Welche Überzeugung könnten grundsätzlich hinter der Idee stecken, ein Social Intranet einzuführen?

  • Mitarbeiter haben einen Vorteil davon, dass sie keine Geheimnisse haben und Informationen teilen.
  • Mitarbeiter profitieren davon, frei von der Leber weg zu erzählen, was sie umtreibt.
  • Die Kollegen interessieren sich für die Themen der anderen.
  • Zusammenarbeit fördert den gemeinsamen Erfolg.
  • Bestimmt noch ein paar mehr…

Wenn man ein Social Intranet einführt, dann sagt man implizit: „Kooperation und offene Kommunikation ist gut.“

2. Schritt: Welche Praktiken herrschen ansonsten im Unternehmen? Ein paar Beispiele aus diesem fiktiven Unternehmen:

  • Thomas führt individuelle Zielvereinbarungsgespräche mit seinen Mitarbeitern.
  • Die Erreichung dieser Ziele ist an ein ausgeklügeltes Bonussystem geknüpft.
  • Die Budgetverantwortung liegt bei den einzelnen Abteilungen. Kosten werden strikt auf die entsprechenden Kostenstellen gebucht.

3. Schritt: Welche Glaubenssätze stecken hinter diesen Praktiken?

  1. Leistung kriege ich nur über die konsequente Motivation eines jeden Einzelnen.
  2. Mitarbeiter brauchen konkrete und individuelle Ziele.
  3. Einzelleistung ist messbar.
  4. Erfolg hängt an erfolgreichen Einzelspielern.
  5. Kosten und Aufwände sind eindeutig einem Verursacher zurechenbar.
  6. Und auch hier sicher noch ein paar andere…

Der gemeinsame Nenner der Glaubenssätze bei Thomas: „Einzelleistung ist das Maß aller Dinge.“

4. Schritt: Wenn diese Überzeugung im Unternehmen spürbar ist: Welche Handlungen machen dann für die Mitarbeiter Sinn?

  1. Mitarbeiter müssen „Geheimnisse“ haben, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Sie müssen Infos verdeckt halten und nur selektiv preisgeben. Sie sollten sehr vorsichtig damit umgehen, zu erzählen was sie umtreibt.
  2. Mitarbeiter haben ein reduziertes Interesse am Tun anderer Kollegen. Letztlich kostet sie das nur wertvolle Ressourcen. Ressourcen, die sie besser in ihre eigene Performance stecken.
  3. Kooperation gefährdet den persönlichen Erfolg.

Kooperation einfordern und Einzelleistung honorieren? Geht nicht.

Wenn sich Mitarbeiter in einem Widerspruch bewegen, müssen sie sich zwangsläufig positionieren. Dabei werden sie das für bare Münze nehmen, was in der Firma tatsächlich gelebt wird. Bekenntnisse hin oder her. Sie verhalten sich also kulturkompatibel.

Sie werden stets das tun, was in dem Kontext der Praktiken Sinn macht, was ihre Mitgliedschaft in der Organisation sicherstellt.

Krass gesagt: Sie werden das Intranet links liegen lassen und stattdessen ihr Wissen bunkern.

Passt das neue Tool?

Wenn du die Glaubenssätze in deinem Unternehmen verstehst, dann wird dir schnell klar, warum manche Dinge einfach nicht funktionieren. Nicht funktionieren können.

Wenn also das nächste Mal ein neues Tool in Deinem Unternehmen eingeführt wird, dann hilf Deinen Kollegen einen zweiten Blick zu riskieren und fragt euch gemeinsam: »Könnten die Glaubenssätze, die hinter diesem Ansatz stehen, den Glaubenssätzen, die in unserem Unternehmen tatsächlich herrschen, widersprechen?«

Schaut euch dafür die Praktiken in eurem Unternehmen genauer an und findet heraus, welche Glaubenssätze dadurch zum Ausdruck gebracht werden.


Hier ein paar sehr gängige und zugleich zweifelhafte Glaubenssätze zur Inspiration:

  • Wenn Kollegen früher nach Hause gehen, sind sie faul.
  • Menschen leisten mehr, wenn man ihnen mehr Geld gibt.
  • Bei uns macht jeder nur Dienst nach Vorschrift. Nur wenige wollen Verantwortung übernehmen.
  • Die zur Wertschöpfung nötigen Aufwände sind verursachungsgerecht einer Quelle zurechenbar (Kostenstellendenken).
  • Die Zukunft ist planbar.
  • Maximale Effizienz bedeutet maximaler wirtschaftlicher Erfolg.
  • Das Top-Management muss in der Lage sein, das Unternehmen zu steuern.
  • Wenn es keine formale Hierarchie gibt, dann machen alle was sie wollen.
  • Jeder Sonderfall eines Wertschöpfungsprozesses kann antizipiert und im Prozesshandbuch abgebildet werden.
  • Regelmäßige Reportings sorgen dafür, dass die Entscheider informiert bleiben.
  • Wenn wir Aufgaben und Verantwortlichkeiten klarer regeln würden, entstünden weniger Missverständnisse und Reibungen in den Prozessen.
  • Wenn sich jeder an die Pläne halten würde, wären wir auch erfolgreich.
  • Die Einzelleistung eines Mitarbeiters ist messbar. Die Summe der Einzelleistungen ergibt die Gesamtleistung.
  • Unterschiedliche Funktionen von einander ab-zuteilen, ist die wirtschaftlichste Organisationsweise.
  • Je mehr Meetings wir machen, desto mehr lässt sich klären.
  • Je effizienter wir die Meetings gestalten, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Meeting-Elend ein Ende findet.
  • Wenn man sich bei seinem Vorgesetzten absichert, ist man nachher nicht der Dumme.
  • Wenn wir Mitarbeitern Goodies/Freizeitausgleich (nach R. Sprenger »Fluchtverhinderungssysteme«) anbieten, sind sie mir ihrer Arbeit zufriedener und leisten mehr.
  • Wir können die Leistung unserer Mitarbeiter erhöhen, indem wir sie in Schulungen schicken.
  • Mit Assessment-Centern können wir Talente für unsere Arbeit identifizieren.

 


Wenn Ihr dann einen Widerspruch erkennt, muss eine Entscheidung her. Entweder: Tool sein lassen. Oder aber: Praktiken abschaffen, die auf den widersprüchlichen Glaubenssätzen beruhen.

Dann wäre der Weg frei, auf dem sich die neuen gewünschten Verhaltensweisen im Unternehmen manifestieren könnten.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum das Intranet nicht genutzt wird. Wenn es nämlich gar kein Wissen ist, das man sich wünscht im richtigen Moment im Intranet zu finden. Aber diesem Aspekt widme ich mich ein andern mal.

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Hi Mark,
schöner Beitrag und gleichzeitig kam ich ins Nachdenken: in deinem letzten Blog hast du die Unterscheidung der Denkschulen hervor gehoben. Doch diesmal bist du ebenfalls auf der individuellen Ebene unterwegs … und Glaubenssätze kann man ändern, auch wenn es eine sehr individuelle und manchmal zeitintensive Arbeit ist … u.a. in Abhängigkeit von der Unterstützung. Demnach würde ich argumentieren, beide Denkschulen (systemisch und individuell) sind super ergänzend! Gruß, Hannes

Hallo Hannes,

Danke für’s Feedback. Aber ich verstehe Dein Argument nicht. Ich spreche hier ja von organisationalen Glaubenssätzen, die weder von irgendeinem Individuum geteilt werden noch irgendeinem Mitglied in der Organisation bekannt sein müssen. Das sind also den Strukturelementen implizit zugrundeliegende Überzeugungen. Die muss sich niemals irgendwer bewusst gemacht haben. Die handelt man sich einfach mit ein, wenn man X einführt (ersetze X durch eine beliebige Zahl an Praktiken wie z.B. einer auf Basis von ROI stattfindenden Invest-Freigabe). Es geht hier also nicht um individuelle Überzeugungen sondern wieder um systemische, denen man dann im Alltag als Individuum ausgesetzt ist. Besten Gruß, Mark

Hi Mark,
wenn auch etwas spät, danke für deine ausführliche Antwort. Yups, ich hatte eine Wahrnehmungs-/Denkfehler und deine Aussagen nur im Sinne von individuellen Denkmustern gelesen bzw. interpretiert. Gruß, Hannes

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