Organisationsentwicklung

Warum ein Schutzraumprojekt kein Labor ist

Über die Kraft der Verantwortung
Aus HR wird People & Organisation
Philipp Simanek
Aus HR wird People & Organisation
Wie gibt man einem anderen Mensch die Möglichkeit, zum Könner in einer Domäne heranzuwachsen? Kurz und knapp: Erst »Follow the rules« und danach »F*** the rules«. Ausführlicher erklärt Dir Lars Vollmer wie Du zum Könner wirst.
Lars Vollmer
Don't f*** the rules – Wie Du zum Könner wirst
Es ist verführerisch, den Unterschied zwischen Methoden und Könnern zu ignorieren. Lars Vollmer hat in den letzten Jahren Menschen kennengelernt, die das tun.
Lars Vollmer
Wer löst besser die wichtigen Probleme: Methoden/Rezepte oder Könner?
Partizipations-Theater in Agilen Organisationen Im Gespräch mit Daniel Pötzinger, CTO der AOE GmbH, und Philipp Simanek von intrinsify
Philipp Simanek
Partizipations-Theater in Agilen Organisationen
Mark hat lange daran gezweifelt, dass es den Fachkräftemangel gibt. Bisher vertrat er die These, dass der Mangel eigentlich nur der Rekrutierungsindustrie in die Karten spielt. Was ist also tatsächlich dran am Mythos „Fachkräftemangel“?
Mark Poppenborg
War for Talents

In unserer Beratungspraxis erleben wir regelmäßig, welche durchschlagende Wirkung ein echtes Schutzraumprojekt haben kann, um dynamische Kundenprobleme besser zu lösen und eine Organisation weiterzuentwickeln. Auch einige intrinsify Podcast Episoden über Praxisbeispiele zeigen, welche Gestaltungskraft ein richtig aufgesetztes und begleitetes Schutzraumprojekt entfesseln kann. Leider wird ein Schutzraumprojekt immer wieder verwechselt mit einem „Labor“ oder „Experiment“, in dem einmal andere Arbeitsweisen spielerisch ausprobiert oder Planspiele durchgeführt werden.

Durch die Verwechselung mit anderen Settings wird die besondere Qualität und Effektivität eines Schutzraumprojekts schnell übersehen. Ein echtes Schutzraumprojekt unterscheidet sich von einem Labor oder einem typischen Innovationsprojekt fundamental. Im Folgenden möchte ich einige zentrale Merkmale von Schutzraumprojekten aufzeigen, ohne auf alle notwendigen Bedingungen eingehen zu können.

Es ist gar nicht so einfach, über dieses Thema zu schreiben, weil sich in den Unternehmen keine einheitlichen Begriffe etabliert haben. Zudem gibt es eine Vielzahl von Methoden und Organisations-Settings. Daher bitte ich Dich, auf die Unterscheidungen zu achten, die ich beschreibe. Setze dann gerne andere Begriffe ein, die Dir in der Praxis begegnen.

Also hier die wichtigsten Besonderheiten von Schutzraumprojekten.

 

1. Wirtschaftlich notwendig, keine Spielerei

Ein organisationales Labor-Setting (wie immer man es auch nennt) lädt zum Ausprobieren unter künstlichen Bedingungen ein. Da übt man sich zum Beispiel in Scrum oder bearbeitet ein Problem mit Design Thinking. Ein Schutzraumprojekt hingegen findet mitten in der Unternehmenspraxis statt. Es geht um wichtige Kundenanforderungen oder dringende Innovationen. Im Schutzraum spüren die Teammitglieder, dass es um etwas Wichtiges geht. Wenn es misslingt, steht das Unternehmen schlechter dar oder man vergibt eine wertvolle Chance. Alle spüren die Verantwortung auf ihren Schultern. Es ist eben kein Spiel, sondern ernst.

Die Teilnehmer werden nicht vor den dynamischen Anforderungen der Kunden oder anderer Leistungsabnehmer geschützt, sondern lediglich vor der sonst im Unternehmen herrschenden Arbeitskultur. Auch in Labor-Settings dürfen neue Arbeitsweisen ausprobiert werden, aber in Schutzräumen findet das neue Arbeiten nicht als Planspiel statt, sondern mitten in der Wertschöpfung. Es gibt unmittelbares Feedback von Kunden und Nutzern – im Zweifel durch ausbleibende Umsätze.

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2. Talent-orientiert, methoden-offen

Natürlich können neue Methoden und Werkzeuge für die Problembearbeitung verwendet werden, aber nie zum Selbstzweck. Es geht nicht darum, zu beweisen, dass eine zuvor bestimmte Methode funktioniert, sondern funktional auf die Zusammenarbeit zu schauen und die besten Vorgehensweisen und Werkzeuge herauszuarbeiten, die dieses konkrete Team mit seinen Talenten zum Erfolg verhelfen.

Individuelle Talente und ihr Zusammenspiel sind für die Bearbeitung komplexer Probleme entscheidend. Daher muss der Teamstifter entscheiden, wer ins Team kommt und darf nicht verpflichtet werden, Entsandte unterschiedlicher Unternehmensfunktionen aufzunehmen.

In einem Schutzraumprojekt müssen die Talente für die komplexen Probleme zur Geltung kommen, während gleichzeitig für die komplizierten Elemente der Wertschöpfung optimale, allgemeingültige Praktiken bestimmt werden.

 

3. Umsetzungskompetent

Innovations-Labore und Design Thinking Projekte leiden häufig darunter, dass zwar neue Problemlösungen konzeptionell erarbeitet werden, diese aber dann in der Umsetzung verhungern. Die Übergabe in die sogenannte „Linie“, also die Unternehmensbereiche, die „eigentlich“ für dieses Thema verantwortlich sind, gelingt nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum der Erfolg einer solchen Übergabe sehr unwahrscheinlich ist. Sie aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen.

Ein Schutzraumprojekt erarbeitet eine Problemlösung nicht nur theoretisch, sondern verprobt die Ideen in der Wertschöpfungspraxis. Es geht darum, eine neuartige Lösung zum Leben zu erwecken. Sie beobachtbar und erlebbar zu machen. Sie muss sich in der Praxis beweisen. Deshalb benötigt ein Schutzraumprojekt alle Talente, Ressourcen und Befugnisse, um sich möglichst ungestört innovativ an der Umsetzung einer Problemlösung zu versuchen.

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4. Irritationsfähig

Weil es in einem Schutzraum um ein schwergewichtiges Wertschöpfungsproblem geht und daran in einem neuartigen Umsetzungsmodus gearbeitet wird, hat das Projekt auch eine Bedeutung im Unternehmen und wird kritisch beäugt. Es geht um einen relevanten Umsatzanteil oder eine wichtige technische Verbesserung. Im Unternehmen wird schnell klar, dass es keine harmlosen, akademischen „Spielereien“ sind, sondern hier auch einiges schieflaufen kann.

Mit anderen Worten, das Gewicht des Schutzraumprojekts darf nicht ignorierbar sein. Gerade deshalb benötigt das Projektteam einen Schutzraum, also die gläserne Wand zur restlichen Organisation, die der Auftraggeber („Schutzraumstifter“) aufstellen und stabil verankern muss. Die Organisation darf beobachten, Fragen stellen, Inspiration mitnehmen und Einwände äußern. Aber die Arbeit im Schutzraum darf von niemanden behindert werden.

Auf diese Weise kann ein Schutzraumprojekt, noch während es läuft, wichtige Irritationen im Unternehmen auslösen. Hinzu kommt, dass ein Schutzraumprojekt nicht folgenlos bleibt, unabhängig davon, ob die Problemlösung gelingt. Das Schutzraumprojekt geht aufgrund seines Gewichts und seiner Fürsprecher und Gegner in die Geschichte der Organisation ein und beeinflusst wahrscheinlich künftige Kommunikationen und Entscheidungen. Das kann man von vielen Organisationslaboren nicht sagen. Sie können häufig einfach kulturell ignoriert werden.

 

Obacht!

Regelmäßig höre ich von Kunden, man hätte zu diesem oder jenem Problem bereits ein Schutzraumprojekt gehabt, aber ohne Erfolg. Natürlich gibt es keine Erfolgsgarantie, aber in den allermeisten Fällen stellt sich bei näherer Betrachtung schnell heraus, dass es sich gar nicht um echte Schutzraumprojekte gehandelt hatte.

Auch wenn es herausfordernd sein kann, die notwendigen Bedingungen für ein Schutzraumprojekt zu schaffen, so wird man erstaunlich häufig mit kraftvollem Fortschritt belohnt.

 

Drei Praxisbeispiele im intrinsify Podcast

Und wie sehen Schutzraumprojekte in der Praxis aus? In den folgenden intrinsify Podcast Episoden werden reale Schutzraumprojekten mit unterschiedlichen Problemstellungen vorgestellt.

 

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